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Es herrscht kein Mangel an gebrochenen Resolutionen, Märtyrern und Anteilnahme.

Leitartikel
Krieg im Nahen Osten

Was ist eine
angemessene
Reaktion?


Von Oliver Kreth
An manchem mangelt es nicht im Nahen Osten: an gebrochenen Resolutionen, an Märtyrern und auch nicht an Anteilnahme. Nur dass die ein bisschen wankelmütig ist. Mal gehört sie den Palästinensern, mal den Israelis, jetzt gerade den Libanesen oder, besser gesagt, den sich im Libanon aufhaltenden EU-Bürgern.
Besonders populär bei den Berufs-Betroffenen ist deshalb derzeit Gerd Seidel, seit 1983 Professor für Völkerrecht an der Humboldt-Universität in Berlin. Der verkündet auf sämtlichen nationalen TV-Kanälen, völkerrechtlich sei die Bombardierung ziviler Ziele geächtet. Recht hat er, der Herr Seidel, doch leider missbrauchen Terroristen und Diktatoren wie Saddam Hussein dieses Recht skrupellos.
Denn die ach so tapferen Gotteskrieger verstecken sich und ihre Waffenarsenale nicht nur im Libanon bevorzugt hinter den Rücken ihrer Frauen und unter den Betten ihrer Kinder. Und sie beherrschen das Spiel mit den Medien.
Bilder von verletzten, geschundenen und paralysierten Kindern in Krankenbetten gehen um die Welt, und schon ist der Schwarze Peter vergeben.
Deshalb nur zur Erinnerung: Israel lebt im Kriegszustand seit seiner Gründung. Alle Nachbarn wollten diesen jungen Staat ausradieren. Als dies nicht funktioniert hatte und manche sogar diplomatische Beziehungen aufnahmen, kamen verstärkt die Terroristen ins schmutzige Spiel.
Wenn Sie in Israel in den Bus steigen, zum Bäcker gehen, in einer El-Al-Maschine fliegen, wenn Sie Geburtstag an einem öffentlichen Ort feiern, eine Bar oder ein Basketball-Spiel besuchen - immer besteht die Gefahr, dass einer der Menschen in ihrer Nähe nicht übergewichtig ist, sondern einen Sprengstoff-Gürtel unter der Kleidung trägt. Mit diesem Wissen leben die Israelis seit 1948, lieber Herr Seidel, und diese Art der Existenz und die Shoa haben sie geprägt.
Was also wäre eine angemessene Reaktion auf die Entführung der Soldaten und die Bombardierung Nord-Israels?
Die Hamas - zur Erinnerung: Auch an der Grenze zum Gazastreifen wurde ein israelischer Soldat entführt - und die Hisbollah, die laut einer UN-Resolution gar nicht mehr bewaffnet sein dürfte, wussten genau, was sie taten, wussten, dass die »Zahal« jetzt kein Pardon mehr kennen kann und wohl auch nicht will.
Denn schon einmal tauschte sie drei, sogar tote Soldaten gegen hunderte, in israelischen Gefängnissen einsitzende Terroristen, zog sich aus dem Süd-Libanon zurück und hoffte, dass die Hisbollah sich wirklich entwaffnen lassen würde. Doch die betreibt wieder Terror und Entführungen und bombardiert sogar selbst Nazareth, die arabischste israelische Stadt.
An manchem mangelt es eben im Nahen Osten: an Einsichten und einem echten Willen zum Frieden. Das ist zufiefst bitter nicht nur für die Menschen dort, es reicht ein Irrer, und der ganze Laden fliegt in die Luft. Und wir, wir fliegen mit.

Artikel vom 24.07.2006