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Leserzuschrift in der
»Süddeutschen Zeitung

»Wer fährt denn auch nur eine Minute weniger Auto, weil er den Klimawandel fürchtet?«

Leitartikel
Zur Klima-Diskussion

Auch Winde wehen, wie sie wollen


Von Rolf Dressler
Bei 35 Grad im Schatten oder sogar noch darüber wären wir in diesen Tagen schon recht froh, würde »Petrus« oder wer auch immer uns die eine oder andere kühlende Brise zufächeln. Das kann man jedem Einzelnen gut nachfühlen.
Denn was zu den Zeiten, in denen der WM-Ball rollte und die Massen schier entzückte, noch als Wetter-Geschenk des Himmels empfunden worden war, wird nun mit jedem neuen Überhitze-Tag zunehmend als beschwerend erlebt. Besonders gebeutelt fühlen sich naturgemäß all jene, denen körperliche Unbill selbst dann zusetzt, wenn es draußen kühl bis kalt und ausgesprochen ungemütlich ist.
Wer freilich möchte deswegen Supersommer wie den gegenwärtigen generell abschaffen - so er es denn könnte?
Aber wenn die Quecksilbersäule wie im Juni und Juli 2006 zu Hoch- und Höchstform aufläuft, rauschen leider auch so manche wichtigen Wind-, Wetter- und Klima-Informationen unbemerkt oder unbeachtet an Otto und Ottilie Normalmensch vorbei.
So beklagte just in dieser Woche zum Beispiel die besonders laut- und lobbystarke Windkraft-Industrie ein »erneut enttäuschend schwaches Windjahr 2005«. Woraus unschwer zu folgern ist, dass die Winde in unse- ren mitteleuropäisch-deutschen Breiten ganz offensichtlich erkennbar schwächer blasen. Das aber ist genau das Gegenteil dessen, was die Kassandras aus Klimaforschungslabors, Politik und Sachversicherungen fortwährend an die Wände malen: immer mehr und immer heftigere Stürme, Unwetter, Überschwemmungen, Bergrutsche - Verheerungen ohne Ende eben, auch hier bei uns.
Das verwundert nicht nur den Laien. Zumal offenkundig wird, wie weithin uneins sich große Teile der Fachwelt bis heute hinsichtlich der tatsächlichen Ursachen dessen sind, was inzwischen zurückhaltender und zutreffend »Klimawandel« genannt wird, anstatt von einer apokalyptischen, angeblich unausweichlichen »Klimakatastrophe« zu reden.
Nun endlich rühren sich Stimmen, die eine mögliche Klimaerwärmung geradezu als einen Segen für die Natur erklären. Zu Zeiten der Dinosaurier etwa war es auf der Erde viel wärmer als heute, Nord- und Südpol waren eisfrei, die Berggletscher verschwunden. Pflanzen und Tiere gediehen üppig wie seither nie mehr. Käme ein solches Zeitalter je wieder, könnte der Mensch im Jahreslauf doppelt und dreifach zusätzlich ernten. Wundervolle Aussichten!
Um darauf hinzuarbeiten, müssten »wir« freilich schon beizeiten umdenken. Wer noch immer Hochwasserräume zukoffert, Naturflächen versiegelt und den Klimawandel fälschlicherweise einzig als Weltuntergangsbedrohung ansieht und für wichtiger erachtet als den Kampf gegen Hunger, Aids, Malaria und andere Welt-Seuchen, der beeinträchtigt die eigenen Zukunftschancen.
Die Winde richten sich ja auch nicht nach den Wünschen der Windrad-Betreiber. Siehe oben.

Artikel vom 22.07.2006