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Rechtsanwalt verurteilt

82-jährige Witwe hat Anspruch auf Rechenschaftsbericht

Von Christian Althoff
Herford (WB). Ein Herforder Rechtsanwalt und seine Ehefrau müssen Rechenschaft darüber ablegen, was sie mit dem Vermögen eines betagten Arztehepaares gemacht haben. Das hat das Landgericht Bielefeld gestern entschieden.

Der Herforder Arzt Georg S. und seine Frau Renate hatten im Laufe ihres Lebens mehrere Immobilien erworben, die als Altersversorgung dienen sollten. 1999 hatten die Eheleute ihrem Rechtsanwalt und Notar eine Generalvollmacht erteilt. Damit sollte er die Häuser verwalten und sich um die Belange der alten Menschen kümmern, sollten sie alters- oder krankheitsbedingt geschäftsunfähig werden.
Mit der Vollmacht hatte der Anwalt eine GmbH & Co KG gegründet, in die er die Immobilien des Ehepaares überführte. Anschließend übertrug er die Anteile an der Firma auf sich, seine Frau und seinen Sohn. Zudem ließ er Kreditkarten für seine Familie ausstellen, mit denen über das Konto des Arztehepaares bei der Kreissparkasse Herford verfügt wurde. »Von seinem Millionenvermögen blieben dem Ehepaar zuletzt nur noch 70 000 Euro«, sagt Rechtsanwalt Dr. Henning Wolter. Er vertritt Renate S., deren Mann 2005 verstorben ist. Die 82-Jährige sagte dem WESTFALEN-BLATT, der Herforder Anwalt sei früher ein guter Freund gewesen: »Aber dann hat er uns betrogen!«
Die 6. Zivilkammer des Landgerichtes verurteilte den Anwalt gestern, der Witwe alle Ein- und Ausnahmen aufzulisten, die er aufgrund der Generalvollmacht getätigt hat. Anhand der Aufstellungen will Anwalt Wolter Schadensersatz geltend machen.
Bislang hatte der Rechtsanwalt einen solchen Rechenschaftsbericht verweigert. Auch muss der Anwalt jetzt alle Kontoauszüge der Eheleute herausgeben. Die Ehefrau des Anwaltes wurde verurteilt, mitzuteilen, was sie mit dem Geld gemacht hat, das sie vom Konto des Arztehepaares abgehoben hat. Außerdem muss die Frau erklären, wo der Schmuck von Renate S. geblieben ist.
Das Landgericht stellte außerdem fest, dass Renate S. weiterhin Anteile an der Immobilienfirma hält. »Damit hat das Landgericht die Übertragung der Häuser auf die Anwaltsfamilie für nichtig erklärt«, erläuterte Anwalt Wolter.
Eine Begründung für sein Urteil gab das Gericht gestern nicht, sie wird den Parteien schriftlich zugestellt. In der Verhandlung, die im Juni stattgefunden hatte, hatte der Vorsitzende Richter Dr. Reinhard Ruhe allerdings bereits angedeutet, dass ein Missbrauch der Vollmacht vorliegen könnte, sollten die Vermögensinteressen des Arztehepaares verletzt worden sein.
Der Anwalt und seine Frau können innerhalb von vier Wochen Berufung beim Oberlandesgericht in Hamm einlegen. Az.: 6 O 613/05

Artikel vom 21.07.2006