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Bauen wird von 2007 an teurer

Mehrwertsteuer steigt - Verbraucherzentrale warnt: »Nichts überstürzen«

Von Edgar Fels
Bielefeld (WB). Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent von 2007 an sorgt beim Einfamilienhausbau für Belebung, ist aber bei weitem nicht mit dem Boom vergleichbar, den der Wegfall der Eigenheimzulage Ende 2005 in der Branche ausgelöst hat. Dennoch: Wer sein neues Häuschen noch in diesem Jahr bezieht, spart mehrere tausend Euro.

Die Mehrwertsteuererhöhung habe zwar für eine »gewisse Belebung« beim Hausbau gesorgt, bestätigt Jürgen Stracke, Vorstandsmitglied im Immobilienverband Deutschland (IVD) West. »Allerdings hat die Eigenheimzulage viel vorweggenommen.« Zur Erinnerung: Wer noch im Jahr 2005 einen Bauantrag gestellt hatte, erhält in der Regel acht Jahre lang Geld vom Staat geschenkt: Bei einer Familie mit zwei Kindern sind das etwa 22800 Euro.
Dagegen schlägt die Erhöhung der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr bei einem reinen Hauspreis von 200000 Euro ohne Grundstück zwar »nur« mit 6000 Euro zu Buche - aber auch das ist viel Geld, das man sparen kann, wenn die eigenen vier Wände rechtzeitig bezogen werden. »Wer jetzt baut, drängt daher auf Fertigstellung noch in diesem Jahr«, sagt Stracke, der auch Geschäftsführender Gesellschafter von Kramer Immobilien (Bielefeld) ist.
Für die Frage 16 oder 19 Prozent Mehrwertsteuer ist beim schlüsselfertigen Hausbau der Zeitpunkt der Schlussrechnung entscheidend, betont Burkhard Witte, Vertriebsleiter bei Bauträger Bethel/Viebrockhaus. Viebrock verkauft schlüsselfertige Massivhäuser. »Diese Konsequenz ist vielen Bürgern nicht klar«, ist Wittes Eindruck. Anders sehe es aus, wenn Gewerke einzeln ausgeschrieben und separat abgerechnet werden: Sind etwa Keller und Rohbau noch in diesem Jahr fertigt, sind noch 16 Prozent Steuer fällig. Fliesenleger und Heizungsbauer, die erst 2007 ihre Arbeit erledigt haben, verlangen bereits 19 Prozent.
Wer sich dagegen für eine Gebrauchtimmobilie entscheidet, zahlt keine Mehrwertsteuer, sondern nur 3,5 Prozent Grunderwerbssteuer. Auch der Kauf eines Grundstücks ist mehrwertsteuerfrei, erläutert Stracke.
Über eine »Sonderkonjunktur« freut sich auch der Mindener Fertighaushersteller Kampa. »Wir sind voll ausgelastet«, sagt Vorstand Elmar Schmidt. Allein im ersten Quartal dieses Jahres ist der Auftragsbestand bei Kampa um 74 Prozent auf 58 Millionen Euro gestiegen. Als Grund dafür nennt Schmidt auch die Trendwende auf dem Zinsmarkt im September vergangenen Jahres. Allein von Januar bis Juli dieses Jahres seien die Hypothekenzinsen bei zehnjähriger Laufzeit um 0,7 Prozent gestiegen. »Häuslebauer geraten zunehmend unter Druck, ehe ihnen die Zinsen weglaufen.« Mittlerweile pendeln die Konditionen für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung zwischen 4,2 und 4,5 Prozent.
Neben dem Zinseffekt habe auch die geplante Mehrwertsteuererhöhung beim Auftragseingang nochmals »aufs Gaspedal gedrückt«, sagt Schmidt. Allerdings betont der Kampa-Chef auch: »Was jetzt an Aufträgen hereinkommt, ist für das Jahr 2007.« Dann dürfte das Bauen aufgrund von Lohnsteigerungen und Materialpreiserhöhungen ohnehin teurer werden, ergänzt Burkhard Witte.
Wichtig ist, die Finanzierung auf sichere Füße zu stellen und nicht zu knapp zu kalkulieren, betont Thomas Hentschel, Experte für Baufinanzierungen bei der Verbraucherzentrale NRW. Von Anzeigen, die mit der Mehrwertsteuer werben, sollte man sich nicht beeindrucken lassen und auf keinen Fall etwas überstürzen.

Artikel vom 20.07.2006