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Israel mobilisiert Reservisten

Libanon will bei einer Invasion des Landes die Armee einsetzen

Tel Aviv/Beirut (dpa/Reuters). Israel bereitet sich mit einer Mobilisierung tausender Reservisten auf eine weitere Verschärfung des Kampfes gegen die libanesische Hisbollah-Miliz vor.

Die israelische Armee forderte am Freitag die Zivilbevölkerung im Süden des Libanons auf, ihre Dörfer zu verlassen. Schon jetzt seien mehrere tausend Soldaten im Südlibanon im Einsatz, berichteten israelische Medien. Dabei kam es am Freitag erneut zu schweren Gefechten mit den Hisbollah-Milizen. Dabei wurden vier israelische Soldaten getötet.
Die Räumungsauforderung an die Zivilbevölkerung sei über lokale Medien und Kommunalvertreter verbreitet worden, sagte eine Armeesprecherin. Das Gebiet südlich des Flusses Litani solle Richtung Norden geräumt werden. Dabei handelt es sich um einen 30 Kilometer breiten Gebietsstreifen.
Der libanesische Verteidigungsminister Elia Murr kündigte an, die libanesische Armee würde im Fall einer israelischen Invasion eingesetzt. Die Armee werde Widerstand leisten, sagte Murr. Ein Vertreter des Roten Kreuzes im Libanon äußerte sich unterdessen besorgt, dass die Menschen wegen blockierter Straßen nicht zügig genug aus dem Kampfgebiet herauskommen könnten.
Die Hisbollah feuerte erneut Raketen auf Haifa und Städte in Nord-Israel ab. Dabei gab es mindestens zehn Verletzte. Unterdessen bombardierte die israelische Luftwaffe am frühen Freitag mehr als 40 Ziele im Libanon. Nach Augenzeugenberichten erschütterten heftige Explosionen den Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut, der als Hochburg der radikal-islamischen Hisbollah-Miliz gilt. Im Südlibanon traf eine israelische Rakete einen Beobachtungsposten der UN. Nach UN-Angaben wurde niemand verletzt.
Tausende Ausländer, darunter auch Deutsche, versuchten auch am Freitag, den Libanon zu verlassen. Bis Freitagmittag waren 4200 Flüchtlinge nach Deutschland gebracht worden. Die Rückholaktion der Flüchtlinge aus dem Libanon im Auftrag des Auswärtigen Amtes wird auch am Wochenende fortgesetzt.
Seit Beginn der israelischen Offensive vor zehn Tagen sind nach libanesischen Angaben mehr als 330 Libanesen, zumeist Zivilisten, getötet worden. Auf israelischer Seite starben 32 Menschen, darunter 15 Zivilisten.
Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy traf am Freitag zu Gesprächen in der libanesischen Hauptstadt Beirut ein. Während seiner Nahost-Reise will der Minister für eine Waffenruhe bei den Kampfhandlungen im Libanon eintreten.
Zu den neuen Kämpfen im Grenzgebiet kam es, nachdem ein israelischer Stoßtrupp in den Libanon eingedrungen war, um Hisbollah- Stellungen zu zerstören. Auch bei den Luftangriffen seien Hisbollah- Stellungen, Raketenlager, Lastwagen mit Waffen sowie Straßen und Brücken im Südlibanon bombardiert worden, teilte das israelische Militär weiter mit.
Im Gazastreifen tötete die israelische Armee am Freitag vier Palästinenser bei einem Panzerangriff auf ein Haus in Gaza. Bei den Getöteten handelt es sich um ein Mitglied der radikal-islamischen Hamas und drei Mitglieder seiner Familie.
Die Bundesregierung hat sich erneut für eine umgehende Waffenruhe im Nahen Osten eingesetzt.
Voraussetzungen für eine schnelle Einstellung der Gewalt seien die Freilassung der entführten israelischen Soldaten, Einstellung des Beschusses auf Israel sowie der Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, sagte Regieungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin.
Die Bundesregierung hat am Freitag eine Beteiligung des BND an den Bemühungen um Freilassung der verschleppten israelischen Soldaten offen gelassen. Es sei nicht sinnvoll, alle Einzelheiten der deutschen Bemühungen zu schildern, sagte Wilhelm. Er betonte: »Nachdem die Freilassung der Soldaten eine der wichtigen Voraussetzungen ist für eine dauerhafte Lösung der gegenwärtigen Krise, wird darauf intensiv hingearbeitet.« Laut »Berliner Zeitung« nutzt der Bundesnachrichtendienst (BND) seine Kontakte zu den beiden radikalislamischen Gruppen Hamas und Hisbollah, um eine Freilassung der drei Israelis zu erreichen. Das Vorgehen des BND sei mit Russlands Auslandsgeheimdienst abgestimmt. Darauf hätten sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow Ende Juni geeinigt. Dabei ging es dem Bericht zufolge um die Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen im Juni durch Palästinenser. Als am 12. Juli zwei israelische Militärs von der Hisbollah entführt wurden, hätten sich Steinmeier und Lawrow auf eine Ausweitung der Geheimdienstoperation geeinigt.

Artikel vom 22.07.2006