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Schnelles Ende des Konflikts
im Libanon ist nicht in Sicht

Am achten Tag in Folge israelische Luftangriffe und Hisbollah-Raketen

Beirut/Gaza/Tel Aviv (dpa). Die internationale Gemeinschaft stellt sich offenkundig auf einen länger währenden Konflikt ein. Während tausende Ausländer in den nächsten Tagen an Bord von Schiffen und Flugzeugen in Sicherheit gebracht werden sollen, hielten die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz gestern den achten Tag in Folge unvermindert an.
Die israelische Armee ist an der Grenze zum Libanon in Stellung gegangen und beschießt von dort aus Einrichtungen der Hisbollah. Kurzzeitig drangen israelische Soldaten auch auf libenesisches Gebiet vor.
Bei den bisher folgenschwersten israelischen Luftangriffen auf Ziele im Libanon seit Beginn der Kämpfe vor einer Woche sind gestern 55 Menschen getötet worden. Im libanesischen Grenzgebiet zu Israel kam es zu schweren Gefechten zwischen der israelischen Armee und Milizionären der radikal-islamischen Hisbollah, nachdem israelische Soldaten in der Nacht auf libanesisches Territorium vorgedrungen waren. Dabei wurden nach Angaben der Hisbollah zwei Israelis getötet.
Beim Angriff auf ein Dorf nahe dem südlibanesischen Hafen Tyrus wurden zehn Wohnhäuser zerstört. Nach Angaben von Rot-Kreuz- Mitarbeitern kamen dabei mindestens 21 Menschen ums Leben. Hisbollah-Milizen feuerten erneut aus dem Südlibanon Katjuscha-Raketen auf Nordisrael ab. Seit Beginn der Kämpfe vor einer Woche sind 840 Raketen in Israel eingeschlagen.
Auch in den Palästinensergebieten dauerte die Gewalt an. Israelische Truppen rückten in der Nacht in Nablus im Westjordanland und in den zentralen Gazastreifen ein. Bei Feuergefechten in Nablus wurden drei palästinensische Polizisten getötet und 30 Einwohner verletzt. Soldaten demolierten das örtliche Gouverneursgebäude. Im zentralen Gazastreifen wurden nach palästinensischen Medienberichten sechs Palästinenser bei Schusswechseln mit der Armee getötet, darunter vier militante Kämpfer.
Unterdessen hieß es aus Sicherheitskreisen in Beirut, in der Umgebung der von der pro-iranischen Hisbollah dominierten südlichen Vororte von Beirut seien in den vergangenen zwei Tagen etwa 20 Menschen unter dem Verdacht der Spionage für Israel festgenommen worden. »Wir glauben, dass diese Leute den Israelis Ziele für ihre Angriffe genannt haben«, sagte der Sprecher.
In der südlibanesischen Ortschaft Nabatije wurden bei einem israelischen Luftangriff in der Nacht zum Mittwoch sechs Menschen getötet, darunter eine Frau und ihre drei Kinder.
In einem Dorf bei Baalbek im östlichen Libanon starben sechs Menschen, als eine israelische Bombe auf ein vierstöckiges Wohnhaus fiel. In einer Ortschaft bei Tyrus wurden zehn Menschen unter den Trümmern ihrer völlig zerstörten Häuser begraben.
Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Javier Solana traf in Jerusalem die israelische Außenministerin Zipi Liwni zu Vermittlungsgesprächen. Liwni sagte anschließend, Israel fordere eine Entwaffnung der Hisbollah, ihre Entfernung aus dem Süden des Libanons und eine Übernahme der militärischen Kontrolle im ganzen Land durch die libanesische Armee.
Solanas Reise in die Nahost-Region steht im Zeichen der Bemühungen internationaler Diplomaten um ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon und in den Palästinensergebieten.
Eine neue UN-Mission im Nahen Osten muss nach Auffassung der Bundesregierung ein anderes Mandat haben als die jetzige Friedenstruppe im Südlibanon. Es seien »weiterführende Elemente« nötig, um das Mandat effektiver und wirksamer auszufüllen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gestern in Berlin.
Ein einfaches »Weiter so« sei nicht möglich. Die jetzige UN- Sicherheits- und Überwachungsmission habe die bestehende UN- Resolution 1559 nicht voranbringen können. Diese soll eine Entwaffnung der Hisbollah-Milizen durchsetzen. Auch seien Anschläge nicht verhindert worden.
Eine Beteiligung der Bundeswehr an einer solchen UN-Mission sei gegenwärtig kein Thema, erklärte Wilhelm.

Artikel vom 20.07.2006