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Mit Magnum-Geschossen
gegen Aluminium-Fassaden

Im Schüco Technologiezentrum gibt es auch Beschuss-Tests

Von Hendrik Uffmann und
Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Mit ungeheuerer Wucht schlägt das Projektil ein. Aus nur drei Metern Entfernung entwickelt das Geschoss vom Kaliber .44 Magnum seine volle Zerstörungskraft, Metallsplitter fliegen in alle Richtungen. Doch das Aluminiumteil, auf das der Schuss gerichtet war, hält stand, die Kugel schlägt nicht durch. Was sich nach einer Kriegsszene anhört, ist in Wahrheit einer der aufwändigen Tests, mit dem im Schüco-Technologiezentrum die Qualität der Produkte getestet wird.

Denn das Bielefelder Unternehmen liefert Fensterprofile und Gebäudefassaden auch für besonders sensible und gefährdete Einrichtungen, bei denen die Sicherheit - auch gegen Beschuss - ein entscheidendes Kriterium ist. »Zu den Kunden für diese Produkte gehören unter anderem zahlreiche Botschaften in Berlin, Polizeidienststellen, Ministerien oder auch Privathäuser von gefährdeten Personen«, erläutert Diplom-Ingenieur Karl-Heinz Welk, Leiter des Technologiezentrums.
Um welche Anforderungen es auf dem Prüfstand für Materialbeschuss in dem Zentrum an der Karolinenstraße geht, zeigen eindrucksvoll verschiedene Proben von Beschusstests. Eine mehr als einen Zentimeter starke Platte aus Baustahl wird von vielen Projektilen glatt durchschlagen. Die speziell konstruierten Fensterprofile halten den Projektilen, obwohl sie aus Aluminium sind, dagegen stand.
Getestet wird der Beschuss aus Faustfeuerwaffen wie etwa einem Revolver ebenso wie aus Langwaffen, darunter mit der Munition gängiger Sturmgewehre, wie sie die Streitkräfte in aller Welt einsetzen. »Der härteste Test ist der Beschuss mit 7,62 Millimeter Hartkernmunition«, erläutert Welk.
Geschossen wird immer auf komplette Fenster, in die zuvor bereits geprüftes Sicherheitsglas montiert ist. Wo die Schwachstellen sind und bei welchen Tests ein Projektil durchgeschlagen ist, ist geheim. Welk: »Schließlich sollen potenzielle Angreifer ja nicht irgendwelche Tipps erhalten. Denn es geht immer um Durchschusshemmung, absolute Sicherheit gibt es nicht.« Und: »Die geschützten Fassaden sehen genau so aus wie die herkömmlichen.«
Der Prüfstand selbst wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Keine martialische Auswahl an Waffen steht zur Verfügung, sondern ein so genannter Schießzylinder, der ein bisschen wie ein Schraubstock aussieht. In ihn werden - je nach Kaliber - die entsprechenden Rohre und Verschlussköpfe eingesetzt. Bedient werden darf die Anlage nur von drei der insgesamt 21 Mitarbeitern des Technologiezentrums, es herrschen strengste Sicherheitsregeln.
Der Prüfstand für Materialbeschuss ist jedoch nur ein Bereich des Schüco Technologiezentrums, das in seiner Größe für ein Privatunternehmen in Europa einmalig ist. Hier müssen alle Produkte schon während der Entwicklung ihre Qualität beweisen. So gibt es auch einen Prüfstand, in dem komplette Fassaden bis zu 70 Quadratmeter Fläche getestet werden. Durch Unter- und Überdruck können Windgeschwindigkeiten bis zu mehreren hundert Stundenkilometer simuliert werden, hinzu schalten können die Techniker über eine Sprenkleranlage monsunartigen Regen. »Außerdem können wir die Fassadenteile auch vertikal und horizontal verschieben, um zu sehen, wie sie sich bei einem Erdbeben verhalten«, erläutert Karl-Heinz Welk.
Dass die Tests jedoch nicht immer nur spektakulär sind, sondern vor allem auch die Alltagstauglichkeit prüfen, zeigt sich direkt nebenan. Dort wird gemessen, wie gut die Fenster und Fassaden gegen Schall isolieren. Dieser Teil des Technologiezentrums steht auf einem eigenen Fundament, um Schwingungen aus anderen Bereichen auszuschließen, die Wände und Decken des lebensgroß nachgebauten Gebäudeteils sind durch Gummi-Isolierungen abgeschirmt. Mit speziellen Lautsprechern und Mikrofonen wird bei Frequenzen zwischen 50 und 5000 Hertz ermittelt, wie gut sich der Schall durch ein Fenster - oder auch entlang einer äußeren Fassade von Stockwerk zu Stockwerk - fortpflanzt.
Neben diesen Großtestanlagen gibt es in dem Technologiezentrum, in dem übrigens auch die Sonderkonstruktionen von Kunden getestet werden, auch Versuche im Detail. Aluminiumprofile, Beschläge und Zubehör werden auf Zug- und Bruchfestigkeit untersucht und in Klimakammern den verschiedensten Witterungsbedingungen ausgesetzt, von minus 35 bis plus 80 Grad Celsius. »Außerdem simulieren wir den täglichen Gebrauch der Produkte«, erläutert Welk. Ein Fenster wird mechanisch 20 000 Mal, eine Tür sogar bis zu eine Million Mal geöffnet und geschlossen, bevor sie in Serie gehen.
Ein Aufwand, der sich lohnt, erklärt Schüco-Pressesprecher Thomas Lauritzen: »Was wir hier an Zeit und Einsatz investieren, sparen wir später auf den Baustellen und im täglichen Gebrauch.«

Artikel vom 22.07.2006