19.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Rentnerin stirbt nach
brutalem Raubüberfall

Täter erbeutet zwei Brote - Mordkommission ermittelt

Von Jens Heinze und
Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Sie kam ums Leben, weil sie ihren Einkauf, zwei frische Brote vom Bäcker, vor einem Räuber verteidigen wollte. Drei Tage nach dem brutalen Überfall auf Rentnerin Anna H. (86) erlag die Seniorin in der Nacht zum Dienstag im Städtischen Krankenhaus Mitte ihren schweren Verletzungen. Jetzt sucht eine Mordkommission der Kripo nach dem flüchtigen Täter von der Heeper Straße 370.

Seit acht Jahren wohnte Anna H. im Heeper Altenheim Leithenhof in einem 50 Quadratmeter großen Seniorenappartement. Direkt vor dem Heim ereignete sich vergangenen Freitag gegen 11.10 Uhr das unfassbare Geschehen (Bericht in der gestrigen Ausgabe). Anna H., die gerade mit dem Bus vom Einkauf aus Heepen zurückgekommen und an der Haltestelle Meyer zu Heepen ausgestiegen war, wurde auf offener Straße hinterrücks von einem Fahrradfahrer attackiert.
Der etwa 30 bis 35 Jahre alte Mann mit kurzgeschorenen dunklen Haaren und Tätowierungen an den Unterarmen griff die 86-Jährige an, entriss ihr die schwarze Kunstledertasche vom Rollator. Darin befand sich nicht ein Cent Bargeld, ein Weißbrot und ein Finnbrot im Wert von knapp fünf Euro waren die ganze Beute.
»Sie war so froh, dass ich ihr bis zum Abtransport ins Krankenhaus die Hand gehalten habe«, berichtete gestern Waltraud Arend (86). Die Rentnerin, die ebenfalls im Leithenhof wohnt, war kurz nach dem Überfall zum Tatort an die Heeper Straße gerufen worden. Dort leistete die Nachbarin der schwer verletzten Anna H. Beistand, tröstete die Witwe, die vom Räuber auf den Asphalt der Heeper Straße gestoßen worden war und dabei einen Oberschenkelhals- und einen Armbruch erlitten hatte.
Waltraud Arend konnte bis gestern die Sinnlosigkeit der Tat und den unerwarteten Tod der 86-Jährigen nicht begreifen. »Sie war eine sympathische, lustige Frau, die trotz ihrer schweren Herzkrankheit bis zuletzt mit beiden Beinen fest im Leben gestanden hatte und genau wusste, was sie wollte«, beschrieb die Rentnerin die Verstorbene.
»Wir sind alle tief geschockt. Wie kann man nur wegen einem Stück Brot eine alte Frau überfallen?«, empörte sich gestern Helga Witte. Die 78-Jährige hatte bis zum Tattag am vergangenen Freitag viele Jahre lang mit der Verstorbenen in der Seniorenappartement-Anlage auf dem Leithenhof Tür an Tür gelebt, war eine der besten Freundinnen von Anna H. gewesen. Wie Helga Witte weiter berichtete, hat sich die 86-Jährige gegen den Räuber gewehrt, der sie so brutal zu Boden gestoßen hatte, dass die wehrlose Witwe auf die Heeper Straße stürzte. Zwei Lkw-Fahrer reagierten sofort, sie alarmierten Polizei und Rettungsdienst, die kurz nach dem Überfall eintrafen.
Eine Mordkommission unter Leitung von Hauptkommissar Ralf Gelhot fahndet jetzt nach dem flüchtigen Radfahrer. Tatvorwurf: Raub mit Todesfolge, ein Delikt mit zehn Jahren Haft Mindeststrafe. »Die Gewalttat des Räubers war ursächlich für den Tod der Seniorin«, bestätigte auch der ermittelnde Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede gestern nach der Obduktion der Leiche von Anna H. Gestorben, so Polizeisprecher Friedhelm Burchard, sei die 86-Jährige an einer Embolie in der Nacht zum gestrigen Dienstag nach einer Notoperation im Krankenhaus.

Artikel vom 19.07.2006