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Biogas keine Lizenz zum Gelddrucken

Für Landwirt Schulte-Döinghaus ist es aber eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle

Von Bernhard Hertlein
Rietberg (WB). »Eigentlich«, sagt Hubert Schulte-Döinghaus, »ist das Prinzip der Biogasanlage altbekannt.« Das System baue auf die gleichen Bakterien, die auch im Pansen einer Kuh die Verdauungsarbeit verrichten. Dass die Anlagen gerade jetzt in Deutschland in so großem Stil Verbreitung finden, hat allerdings viel mit Wirtschaftlichkeit, Energiehunger und Umweltschutz zu tun.

Die Geschichte des Hofs, den Schulte-Döinghaus in Rietberg im Ortsteil Varensell bewirtschaftet, geht bis in die 1820er Jahre zurück. In den Stallungen ist Platz für 840 Mastschweine; weitere 600 Mastplätze befinden sich in einem Pachtbetrieb, den der Landwirt gemeinsam mit seinem Nachbarn zusätzlich bewirtschaftet. »In der heutigen Zeit reicht auch das alles nicht aus, um als Bauer über die Runden zu kommen«, erklärt der Rietberger.
Als darum mit Simon eines der vier Kinder den Wunsch äußerte, im Anschluss an die Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt den Hof zu übernehmen, war klar: Eine zusätzliche Einnahmequelle muss her. Die Idee, auf Biogas zu setzen, brachte Simon gleich von der Schule mit. Der Vater wusste von einer Anlage im Kloster Beuron im Donautal, die bereits mehr als 80 Jahre auf dem Buckel hatte.
Über die technische Neuentwicklung informierte er sich in Bielefeld bei Biogas Nord - bis heute der Partner beim Betrieb und dem Erstellen von Substratanalysen. »Wichtig ist, jemanden zu haben, der einem nicht nur sagt, wo man Zuschüsse erhalten kann, sondern der auch noch beim laufenden Betrieb berät«, sagt Schulte-Döinghaus. »Schließlich gehörte die Einrichtung einer Biogasanlage zu meiner Zeit noch nicht zur Ausbildung als Bauer.«
Wenn er allerdings jetzt seine Anlage erklärt, dann hört man den Fachmann sprechen. Vier große runde Container befinden sich auf dem Hofgelände. Der wichtigste ist der beheizbare »Fermenter« mit einem Fassungsvermögen von 1000 Kubikmetern. Hier werden die Gülle und die Zugaben in Form von Silomais von den Bakterien bei mindestens 40 Grad zersetzt. Dabei bildet sich Metangas, das wiederum in unmittelbarer Nähe ein Blockheizkraftwerk antreibt.
Im zweiten, 1200 Kubikmeter großen Behälter kann das Material nachgären. Die beiden anderen kleineren Container dienen zur Lagerung frischer Gülle bzw. des Substrats, das nach der Gärung zurückbleibt. Es gilt, da in der Anlage neben organischen Stoffen nur Stickstoff, nicht aber Phosphor, Kali und Calzium verloren gehen, als wertvolles Düngemittel. Ein zweites, doppelt so großes Endlager befindet sich in 400 Meter Entfernung; die Verbindung wird mit einer Pipeline hergestellt.
Das Blockheizkraftwerk hat eine Leistung von 240 Kilowatt/Stunde elektrische und 280 Kilowatt/Stunde thermische Energie. Ein zusätzliches BHKW, das beim Nachbarn aufgestellt ist, kommt auf ein Viertel dieser Leistung. Täglich speist Schulte-Döinghaus etwa 5300 Kilowatt ins Netz -Êgenug Strom für etwa 400 Haushalte.
Damit sich die Investition von 650 000 Euro überhaupt rechnet, ist der Landwirt nicht nur auf die von der Europäischen Union bereitgestellten zinsgünstigen Kredite angewiesen. Mindestens ebenso wichtig ist der vom Gesetzgeber festgelegte Mindestpreis, den der Stromabnehmer -Êin diesem Fall die RWE - zu bezahlen hat. Der so genannte »Nawaro«-Staffeltarif -ÊNawaro steht für Nachwachsende Rohstoffe - sieht beim ausschließlichen Einsatz von Gülle und nachwachsenden Rohstoffen für die ersten 150 Kilowatt einen Preis von 10,2 Cent sowie einen Bonus von sechs Cent vor. Danach sinkt der Grundeinspeisungsbetrag auf 9,6 Cent. Die Regelung gilt für 20 Jahre.
Eine »Lizenz zum Gelddrucken«, wie manche Medien anfangs schrieben, ist die Biogasanlage dennoch nicht. Im Falle von Schulte-Döinghaus beginnt sie erst von 75 Prozent Auslastung an rentabel zu arbeiten. Bei 95 Prozent beginne das Geld verdienen.
Neben der Nawaro-Anlage, wie sie der Landwirt in Rietberg betreibt, gibt es auch die »Konfermenten«-Anlage. Hier können auch häusliche oder Schlachtabfälle eingebracht werden. Dafür aber entfällt der Bonus.

Artikel vom 19.07.2006