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Strandgefühl
und 220 Grad
heißer Asphalt

Viel Schweiß bei 15 Stunden Sonne

Von Matthias Meyer zur Heyde,
Hans-Werner Büscher und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). 35 Grad im Schatten, 15 Stunden Sonne pur, eine Luftfeuchtigkeit von angenehmen 29 Prozent: Bielefeld erlebte gestern den bislang heißesten Tag des Jahres.

Die einen ließen es sich im Freibad gut gehen, die anderen bummelten durch die klimatisierten Geschäfte. Straßenbauarbeiter oder Dachdecker lächelten indes milde über die Zeitgenossen, die ob der Temperaturen stöhnten. Unter praller Sonne auf dem Dach oder unmittelbar neben dem Asphaltkocher war es »richtig« heiß.
»Zitronenwasser mit Himbeersirup hilft am besten gegen die Hitze«, meinte Barbara Schneider (26) und lauschte mit Student Gerald Antonik dem Rauschen der freigelegten Luther im Schatten des Gymnasiums am Waldhof. Derweil intonierte Roman Korobko in der Bahnhofstraße »Jingle Bells« auf dem Bajan (Knopfakkordeon). Die weihnachtlichen Klänge animierten die Passanten zwar nicht zum Spendensegen. Viele zogen nämlich den Besuch in der Casà Caffee Bar vor, wo Christ Schiller sechs Kubikmeter Sand hat anfahren lassen, um seinen Gästen echte »Strandatmosphäre« zu vermitteln.
Von Urlaub oder Freizeitvergnügen in dieser Hitze können die Kolonnen der Firma Asphalt Kleemann nur träumen. Gestern schufteten die Männer auf mehreren Baustellen, betteten Stadtbahngleise in flüssigen Asphalt ein.
Und dieser Gussasphalt läuft mit 220 Grad Celsius aus den Kochern. Aus den Spezial-Lkw wird er portionsweise in den kleineren, eine Tonne fassenden »Dumper« abgefüllt, den Waldemar Schmidt punktgenau dorthin steuert, wohin ihn der beste Asphalteur des Jahres 2003 winkt: Vorarbeiter Martin Kollmeier ebnet die dampfende Masse aus flüssigem Bitumen, Brechsand, Steinmehl und kleinen Steinchen (»Korn«) mit dem »Pumpel« ein, einem Schaber aus Holz.
Es ist brütend heiß. Bei der Arbeit - leicht kommen 16 Stunden zusammen -ĂŠtrinkt jeder fünf Liter Mineralwasser. Bier ist verboten. Die Männer halten ab und zu ihre Hüte unter den Strahl aus dem Hydranten: »Soviel Abkühlung muss sein, sonst kriegt man in dieser Hitze Kopfschmerzen.«
Auf dem Dach des Hauses Carl-Severing-Straße 37, klebt Bernd Marks und Andreas Nagel das T-Shirt am Leibe. Die beiden Dachdecker der Firma Bentrup sanieren ein Flachdach. Die Luft flirrt, der Schweiß rinnt in Strömen, aber eine Woche lang müssen es die beiden hier oben aushalten.
Abends Bier? »Um Gottes willen, nein!«, wehrt Marks ab. »Das will am nächsten Tag wieder raus - unerträglich!« Statt dessen: Eistee und ein paar saftige Tomaten.

Artikel vom 20.07.2006