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»Es ist schlimmer als erwartet«

Deutsche Ärztin hilft Tsunami-Opfern auf Java - 30 000 ohne Wohnung

Pangandaran (dpa/Reuters). Wieder hat ein Tsunami ein Paradies verwüstet: 200 Kilometer der romantischen Küste im Südwesten von Java sind nach dem Erdbeben und der Riesenwelle vom Montag bedeckt mit gestrandeten Booten, Autowracks, zersplittertem Holz und anderen Trümmern.

Die Behörden meldeten gestern 330 Tote. 30 000 Menschen haben in der vierten großen Katastrophe, die Indonesien innerhalb von 18 Monaten heimsuchte, ihre Wohnungen verloren. Ausländische und indonesische Hilfsdienste strömten gestern in den Südwesten der Insel Java.
Auch ein Voraustrupp der Malteser aus Köln hat bereits ein Lager bei Pangandaran erreicht. »Es ist schlimmer als erwartet: Viele der 5000 Menschen hier sind verletzt und brauchen dringend Erste Hilfe. Die meisten haben dazu noch Angehörige oder Bekannte verloren und sind traumatisiert«, berichtet die Ärztin Gudrun Müller. Zahlreiche Hilfsorganisationen wie die Caritas und das Rote Kreuz riefen zu Spenden auf.
Hunderte von Soldaten und freiwilligen Helfern unterstützten die verstörten Einwohner bei der Bergung der Toten. Die Behörden glaubten, dass auch einige Ausländer unter den Toten sind. So starben ein in Pangandaran lebender Schwede und zwei schwedische Jungen im Alter von fünf und zehn Jahren, zwei Niederländer und zwei Pakistaner.
Viele Touristen erkannten nun aber offenbar die ersten Anzeichen der Flutwelle und flüchteten sich auf höher gelegenes Gebiet, als das Wasser am Montag vom Ufer zurückwich und später mit immenser Gewalt als Riesenwelle auf den Strand zurückprallte. »Als die Welle kam, hörte ich Menschen schreien und ein Geräusch, als würde hier ein Flugzeug abstürzen. Ich bin einfach gerannt«, berichtete Uli Sutarli, ein Plantagenarbeiter aus der am heftigsten betroffenen Region Pangandaran Beach. Dort schleuderte die Welle Autos, Motorräder und Boote in Häuser und Restaurants, überflutete Fischerdörfer, Reisfelder und Ferienanlagen. Bis zu einem halben Kilometer weit ins Landesinnere richtete der Tsunami schwere Schäden an.
»Noch ist das gesamte Ausmaß der Katastrophe unklar«, erklärte Bernd Baucks von der Diakonie Katastrophenhilfe. »Die Menschen fliehen ins Hinterland aus Angst vor weiteren Tsunamis.« Pangandaran Beach gilt als Surfer-Paradies. Ein Tourist berichtete, er sei durch eine schreiend an ihm vorbeilaufende Kellnerin aufmerksam geworden. »Ich sah eine große Wolke dunklen Meerwassers auf mich zu kommen. Also hab ich meine Tasche gegriffen und bin gelaufen. Dann kam das Wasser, zog mich nach unten und ich dachte, das ist das Ende ich gehe unter«, berichtete der Belgier.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, die deutsche Botschaft habe einen Mitarbeiter in die betroffene Region entsandt. Dieser solle sich ein Bild von der Lage verschaffen und eventuell betroffenen Deutschen Hilfe leisten. Ob und wie viele Deutsche in der Unglücksregion unterwegs gewesen seien, lasse sich nicht sagen. Pangandaran Beach werde von deutschen Veranstaltern nicht angeboten, erklärte eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbandes.
Erst im Mai hatte ein Beben der Stärke 6,2 das Zentrum Javas um die Stadt Yogyakarta erschüttert. 6000 Menschen starben, Tausende wurden verletzt. Monatelang hatte zudem der Vulkan Merapi in der Nähe giftige Wolken ausgespien und die Menschen in Angst versetzt. Bei der Katastrophe vom Montag wurden Erinnerungen wach an den verheerenden Tsunami vom 26. Dezember 2004. Damals waren rund um den Indischen Ozean mehr als 220 000 Menschen umgekommen.

Artikel vom 19.07.2006