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Das Gedächtnis der Alma mater

Vor genau zehn Jahren erhielt die Universität Bielefeld ein eigenes Archiv

Von Uta Jostwerner
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Kaum zu glauben, dass der abgedunkelte kleine Raum, in den nie ein Sonnenstrahl fällt und der über und über mit Kartons und Ordnern gefüllt ist, einen echten Schatz enthält. »Wir lagern hier den Schelsky-Nachlass. Ein echter Glücksfall«, sagt Martin Löning, der seit zehn Jahren das Universitätsarchiv leitet.

Wichtige Unterlagen wie der Nachlass des Soziologen und Universitätsplaners Helmut Schelsky werden im klimatisierten, abgedunkelten Magazin des Uni-Archivs gelagert. Zu empfindlich sind die aus den 60er Jahren stammenden, zum Teil noch handschriftlichen Entwürfe, Planungsskizzen und Personalvorschläge, die die Gründungsphase der Reformuniversität penibel dokumentieren.
Wer auch immer über die Besonderheiten der 1969 als Reformuniversität gegründeten Hochschule forscht, kommt am Schelsky-Nachlass nicht vorbei. »Erst kürzlich war eine amerikanische Forscherin hier, die Akteneinsicht nehmen wollte. Die Uni Bielefeld hat Profil und findet internationale Beachtung«, versichert Löning, Herr über Fotos, Flugblätter, Plakate und andere archivarische Sammlungen - kurz: das Gedächtnis der Universität Bielefeld.
Durchblick ins Chaos zu bringen, ist seit zehn Jahren der Job des 42-Jährigen, der das Archiv zunächst mit dem langjährigen Kanzler und späteren Ehrensenator Dr. Eberhard Firnhaber aufbaute. »Das Wissen um die Gründung und das Gründungskonzept drohte gut 30 Jahre nach der Realisierung verloren zu gehen. Und so regte Firnhaber 1994 an, ein Archiv zu gründen«, erzählt Löning. Es dauerte dann noch zwei Jahre, bis tatsächlich ein Archiv eingerichtet wurde und der Historiker Martin Löning seine Arbeit aufnahm.
Eine Arbeit, die entgegen allen Klischees sehr abwechslungsreich und interessant sein soll, wie Löning betont. »Ich habe mit vielen Leuten zu tun, die ihre Unterlagen hier abliefern oder die etwas suchen«, sagt Martin Löning. Zudem habe er mit Studierenden der Fakultät Geschichtswissenschaften Ausstellungen zur Historie der Universität erarbeitet sowie selbst zur Geschichte der Universität geforscht. Auch ein Bildband über den einst an der Universität lehrenden Soziologen Norbert Elias geht auf das Konto des Archivars.
»Durch die neuen Medien stehen wir zudem vor neuen Herausforderungen. Wie archiviert man zum Beispiel digitale Daten? Wie lange halten CDs? Das sind Fragen, mit denen wir uns derzeit stark beschäftigen müssen. Das Berufsbild ist im Wandel«, berichtet Löning, der sich zudem in der Arbeitsgemeinschaft Nordrhein-Westfälischer Hochschularchive engagiert und daher weiß: »Dass wir hier ein Archiv haben, ist nicht selbstverständlich. Es wird zunehmend schwieriger, so etwas einzuführen.«
Das Archiv der Uni Bielefeld dient nicht nur dem Bewahren von Wissen, es ist darüber hinaus ein moderner Dienstleister für Mitarbeiter, Studierende, Forscher und sämtliche interessierte Personen. »Es ist öffentlich und kann von jedermann genutzt werden«, sagt Löning, der zwischen 9.30 und 12 Uhr in seinem Büro anzutreffen ist oder nach telefonischer Absprache unter 106-40 09.

Artikel vom 19.07.2006