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Israel stellt sich auf längeren
Kampf gegen die Hisbollah ein

Armee rechnet mit Zermürbungskrieg - keine Bodentruppen in Libanon

Von Sara Lemel
Tel Aviv (dpa). Die internationale Gemeinschaft wünscht sich ein schnelles Ende der neuen blutigen Auseinandersetzungen in Nahost, aber Israel stellt sich auf einen längeren Kampf gegen die libanesische Hisbollah-Miliz ein. Der israelische Verteidigungsminister Amir Perez betonte gestern, man dürfe die Angriffe nicht einstellen, bevor eine »neue Realität« in der Region geschaffen sei.

Für Israel bedeutet dies, dass die Hisbollah nicht mehr in der Lage sein darf, Ortschaften im gesamten Nordteil Israels mit einer solchen Leichtigkeit wie in den vergangenen Tagen anzugreifen. Da die Hisbollah aber mit der Bevölkerung im Südlibanon praktisch verwachsen ist, muss sich die Armee auf einen Zermürbungskrieg gegen die Guerillakämpfer einstellen. Die mehr als 13 000 Raketen der Hisbollah mit einer Reichweite von 20 bis 200 Kilometern sind nach Geheimdienstinformationen im ganzen Land verstreut und etwa in Kellern von Zivilisten in libanesischen Dörfern versteckt.
»Der Gipfel liegt noch vor uns«, schrieb ein Kommentator der Zeitung »Haaretz«. Perez erklärte gestern, Israel wolle eine »Sicherheitszone« im Südlibanon einrichten, um die Hisbollah nach Norden zu drängen, die Umsetzung dieses Plans aber nur mit der Luftwaffe oder der Artillerie forcieren und nicht mit Bodentruppen auf libanesischem Territorium Präsenz zeigen.
Israel fühlt sich von der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Indus-trienationen und Russlands (G8) in St. Petersburg bestätigt. Die G8 machen darin »extremistische Kräfte« für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. »Die Führer der Welt haben erklärt: Der Staat Israel hat Recht«, frohlockte die Zeitung »Maariv« gestern in ihrer Überschrift.
Sollte Israel die Angriffe in Libanon jetzt unter wachsendem internationalen Druck einstellen, würde der Schlagabtausch mit einem großen Erfolg für die Hisbollah enden. Israel habe bislang »nichts erreicht - weder militärisch noch diplomatisch - was garantieren könnte, dass der der Hisbollah zugefügte Schaden nicht schnell wieder durch die iranisch-syrische Nachschublinie behoben werden kann«, meinte ein Kommentator der »Jerusalem Post«.
Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah ist inzwischen beliebteste Hassfigur der israelischen Öffentlichkeit und wichtigste Zielscheibe der Luftwaffe. Auch nach Zerstörung seiner Zentrale und seines Privathauses in Beirut höhnte der bärtige Hisbollah-Chef, er halte noch Überraschungen für Israel bereit. Die Armee befürchtet Raketenangriffe auf Tel Aviv, wo in einem großen Komplex im Stadtzentrum der israelische Generalstab und das Verteidigungsministerium liegen.
Die bislang tödlichsten Angriffe der Hisbollah - auf ein israelisches Kriegsschiff am Freitagabend und auf ein Eisenbahndepot in Haifa am Sonntag - wurden nach israelischen Angaben mit Raketen aus iranischer und syrischer Herstellung geführt. Israelische Darstellungen, wonach iranische Experten die Hisbollah auch beim Abschuss von Raketen auf israelische Ziele unterstützten, wurden sowohl vom Iran als auch von Hisbollah dementiert.
In Israel entsteht dennoch der Eindruck, dass die Hisbollah einen Stellvertreterkrieg für den Iran, aber auch für Syrien führt. Gerade dies schürt internationale Befürchtungen vor einer gefährlichen Ausweitung des Konflikts. »Wenn das noch ein, zwei Tage so weiter geht, dann kann die ganze Gegend in Brand stehen«, warnte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn gestern.
Die israelische Öffentlichkeit steht indes geschlossen hinter dem Militäreinsatz gegen Hisbollah. Eine Kommentatorin der israelischen Zeitung »Jediot Achronot« schrieb, Israel verteidige erstmals seit Jahren seine »echte Grenze«. »Nicht um ein Stück Land, das ihm nicht gehört, nicht um Gebiete, die von ihm erobert und annektiert wurden. Erstmals seit langer Zeit geht der Krieg um die Souveränität des Staates Israel, um seine legitime Grenze, für die jeder Bürger bereit wäre, zu kämpfen.«

Artikel vom 18.07.2006