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Bombenhagel über Zahle:
Zwei Tote und 18 Verletzte

Ramy Taktak (27) aus Bielefeld sucht Schutz im Keller

Von Gerhard Hülsegge
Bielefeld/Zahle (WB). Die Angriffe der israelischen Luftwaffe gegen vermeintliche Stellungen der pro-iranischen Hisbollah im Libanon haben jetzt auch Zahle erreicht, 55 Kilometer von Beirut entfernt. Dort wartet der Bielefelder Ramy Taktak auf eine Möglichkeit, zu seiner Ehefrau Kendra nach Deutschland zurückzukehren (das WESTFALEN-BLATT berichtete).

Die Nacht zu gestern hat der Sportstudent mit seiner Mutter Souad Al-Barazi (50), seinem Vater Khalil (53), zwei Brüdern Rauad (24) und Rabih (30), der Schwester Reem (15) und Nachbarn im Keller seines Elternhauses verbracht. »Bis 4 Uhr morgens wurde jetzt auch unsere Region bombardiert«, berichtete der 27-Jährige. »Bis zu 15 Mal hat es in Zahle und Umgebung eingeschlagen. Es gab zwei Tote und 18 Verletzte.« Auch der sunnitische Imam (Scheich) der örtlichen Moschee, an der Ramy Taktaks Vater mitgearbeitet hat, suchte in dem relativ sicheren Untergeschoss des Hauses Schutz.
»Fünf Minuten vom Fußweg vor unserem Haus entfernt fliegen die Bomben. Wir haben letzte Nacht kein Auge zugetan. Die Kinder haben geschrien und geweint. Und keiner traut sich vor die Tür«, schildert Taktak die Folgen der jüngsten Angriffswelle. Nur zwei Schotterstraßen führen jetzt noch aus der Beka'a-Ebene heraus nach Syrien. Die Hauptverbindungsstraße zum Flughafen in Damaskus ist ebenso zerstört wie zahlreiche Brücken und der internationale Flughafen in Beirut.
Am Samstag war Ramy Taktaks Onkel auf der Straße von Beirut nach Damaskus unterwegs, als in Schtura 15 Meter neben ihm eine Bombe einschlug und 21 Zivilisten traf. Eine weitere Bombe ging auf einem Feld, etwa 20 Minuten zu Fuß vom Haus der Familie Taktak entfernt, nieder. Die Israelis vermuteten dort ein Trainingsgelände der verhassten Hisbollah.
Je näher der Krieg rückt, um so mehr igeln sich auch die Bewohner Zahles in ihren Wohnungen und Häusern ein. Strom liefert bei den Taktaks das stets griffbereite Notaggregat, auf dem Dach wird Regenwasser im großen Behälter gesammelt. Essensvorräte für mehrere Wochen sind in zwei Tiefkühlschränken angelegt. Noch herrscht auch keine Trinkwasserknappheit.
Zahle liegt zu Füßen des 2608 Meter hohen Sannin auf den östliche Ausläufern des Libanongebirges. Der Fluss Barduni ist die Lebensader der Stadt, die zu 80 Prozent von orthodoxen Christen bewohnt wird. Eine Marienstatue »wacht« über das Tal der Weinspaliere. Ramy Taktak wäre froh, wenn Zahle wie auch das etwas nördlicher gelegene Baalbek, wo Onkel, Tanten und Cousinen wohnen, von weiteren Kriegshandlungen verschont blieben. Dort befinden sich die alten, römischen Ruinen, wertvolle Kulturschätze des Landes.
»George Bush und die Europäische Union sollten alles tun, um das Blutvergießen zu beenden«, hofft Ramy Taktak, doch noch wie geplant kommenden Samstag von Damaskus (Syrien) aus die Heimreise nach Hillegossen antreten zu können. Das Flugticket der türkischen Airline besitzt er bereits. Das Auswärtige Amt hat ihm geraten, sich mit dem Pkw an einen von der Deutschen Botschaft gecharterten Bus anzuhängen, weil er als »Halbdeutscher« nicht direkt von den eingeleiteten Evakuierungsmaßnahmen profitieren kann.

Artikel vom 18.07.2006