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Neues Spiel mit Worten
Mit Charme und Ironie: Annett Louisan besingt, was gern »unausgesprochen« bleibt
Halle. Vor zwei Jahren bog sie ums Eck und behauptete ganz keck, doch nur spielen zu wollen. Annett Louisan, gefeiert als das neue Lolita-Wunder der deutschen Musiklandschaft, betörte mit kindlicher Stimme und ebensolchem Aussehen. Doch die 26-Jährige hat längst bewiesen, dass sie weit mehr ist als ein »One Hit Wonder«, das sich hinterher wieder etwas anderes zum Spielen sucht. In ihrem zweiten Album »Unausgesprochen« ist das Spiel zum Rollenspiel geworden; raffiniert, erfindungsreich und voller Nuancen. Fans der jungen Sängerin können am Samstag, 7. Oktober, von 19 Uhr an (Einlass: 18 Uhr) im Gerry Weber Event- & Convention Center miterleben, wie Annett Louisan voller Leichtigkeit mit schweren Worten jongliert.
Die Stimme macht es hier aus: ausdrucksvoll wie eine Theaterschauspielerin, aber keineswegs bühnentechnisch routiniert. Annett Louisan »erzählt« ihre Lieder. Intensiver noch als auf dem Debütalbum »Bohème« entdeckt, seziert und präsentiert sie die Situationen und Figuren der Chanson-Geschichten. Nicht ohne Grund erinnert ihre lässige Prägnanz an Charles Aznavour - der klassische Chancson ist die zweite große Liebe von Annett Louisan. Die erste ist wohl die musikalische Vielfalt: Samba und Jazz, Tango und Walzer, mal cool, mal schmeichelnd - auch die gewachsene Stilvielfalt der Kompositionen zeigt, dass Annett Louisan mit »Unausgesprochen« neue Pfade betreten hat.
Ihre Musik ist ein aufregender Mix von Strukturen, deren Wurzeln im französischen Chanson ebenso wie in der eleganten Tradition des englischen Songwriting zu finden sind, angereichert mit Folkelementen und durch einige wohldosierte Jazzanleihen zusätzlich veredelt. Assoziationen an so unterschiedliche Frauen wie Marylin Monroe oder Marlene Dietrich werden wach, wenn Annett Louisan mit ihrer scheinbar unbekümmerten Mischung aus weiblichem Kalkül und feinsinnigem Gespür für Atmosphäre und Ironie alles Zwischenmenschliche zum Klingen bringt. Und das kann sie warmherzig ebenso gut wie bitterböse-bissig.
Bereits bei 37 (!) Konzerten seit Jahresbeginn hat es den Fans gefallen zu hören, was im Alltag sonst eher »unausgesprochen« bleibt. Der zweite Teil der Tour startet Anfang Oktober und führt dann als dritte Station nach Halle. Auf spektakuläre Showeffekte werden die Zuschauer vergebens warten. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass unsere Fantasien viel schöner und nachhaltiger wirken, wenn ich mich als Person zurücknehme«, sagt Annett Louisan. Sie will jedem Lied sein Geheimnis lassen. Trotz dieser Zurückhaltung schafft sie es, einen Konzertabend zu füllen. Denn das Spielen hat sie nicht verlernt. Vor allem nicht das Spiel mit Worten - und das Spiel mit ihrem Charme. Margit Brand

Artikel vom 29.09.2006