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Kombilohn-Plan in der Kritik

Münteferings Modell erhält Gegenwind aus der Regierung und der SPD

Berlin (Reuters). Bundesarbeitsminister Franz Müntefering stößt mit seinen Plänen für staatliche Lohnzuschüsse für ältere Arbeitslose jetzt auch in der Regierung und in der SPD auf scharfen Gegenwind.
Wirtschafts-Staatssekretär Hartmut Schauerte attackierte die Kombilohn-Vorschläge des Vizekanzlers gestern und nannte sie unausgereift und fantasielos. Er sehe wenig gedankliche Anstrengung darüber, wie Missbrauch vermieden werden könne, bemängelte der CDU-Politiker.
In den Unionsparteien löste Münteferings Plan geteiltes Echo aus. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla begrüßte das Vorhaben des Sozialdemokraten im Grundsatz, der Haushaltsexperte Steffen Kampeter aus Minden warnte hingegen vor Folgen für den Etat.
Er sei zwar offen für die Einführung von Kombilöhnen, sagte er. »Ich erwarte aber Vorschläge, welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente im Gegenzug abgebaut werden.«

Doch auch in Münteferings eigenen Reihen regt sich Widerstand. Der SPD-Sozialpolitiker Ottmar Schreiner sprach von einem Instrumentenkasten, der in der Vergangenheit keine Wirkung gezeigt habe und auch in Zukunft keine Wirkung zeigen werde.
Müntefering will mit seinem Modell etwa 100 000 älteren Arbeitslosen wieder eine Stelle verschaffen. Kern des Vorhabens ist ein Zuschuss für Bezieher von Arbeitslosengeld I, die älter als 50 Jahre sind. Wer eine Stelle annimmt, die schlechter bezahlt wird als der frühere Job, soll einen Teil der Differenz aus der Staatskasse ersetzt bekommen. Zudem sollen Betriebe zusätzliche Lohnzuschüsse erhalten, wenn sie Langzeitarbeitslose einstellen. Die Kosten sollen etwa 500 Millionen Euro betragen. Das Kabinett will das Vorhaben heute beschließen.
Schauerte forderte, Anreize für den Vorruhestand abzubauen. »So lange wir Altersteilzeit fördern, schicken die Betriebe ältere Arbeitnehmer auch früher in den Ruhestand«, betonte er. »Diese Regelung gehört auf den Prüfstand.« Offene Angriffe eines Staatssekretärs auf einen Minister gelten als äußerst ungewöhnlich.
Münteferings Sprecher verweigerte jeden Kommentar zu den Äußerungen Schauertes. In Regierungskreisen wurden die Einlassungen des CDU-Politikers als Einzelmeinung aus der Fachebene des Wirtschaftsressorts abgetan.
CDU-Generalsekretär Pofalla erklärte, Münteferings Vorschläge stimmten grundsätzlich mit den Vorstellungen der Union überein. »Es gibt geringe Differenzen in Detailfragen.« Er sei zuversichtlich, dass die Arbeitsgruppe der Koalition im Herbst Lösungen zur Belebung des Arbeitsmarktes finden werde.
Auch der CDU-Wirtschaftsexperte Reinhard Göhner aus Kirchlengern (Kreis Herford) signalisierte Zustimmung zu den Plänen, weil sie auf bestehenden Regelungen aufbauten. »Ich halte es nicht für sinnvoll, neue Kombilohn-Instrumente zu erfinden« sagte er.
Dagegen kritisierte die Mittelstandsvereinigung der Union die Pläne nur als Kurieren von Symptomen, das die Lohnnebenkosten und die Steuern erhöhe. Der Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe forderte Müntefering zu einem ehrgeizigeren Herangehen auf. Mit dem Kombilohn müssten auch Menschen gefördert werden, die eine niedrig bezahlte Arbeit verloren haben. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) zog den Sinn staatlicher Zuschüsse am Arbeitsmarkt generell in Zweifel.
Hingegen forderte der niedersächsische SPD-Vorsitzende Garrelt Duin, die Pläne Münteferings dürften nicht leichtfertig zerredet werden.
FDP, Grüne und Linkspartei verwiesen lediglich darauf, dass ähnliche Programme in der Vergangenheit keine nennenswerte Beschäftigung gebracht hätten. »50 plus ist nichts weiter als eine neue Initiative zur Lohnsenkung für ältere Arbeitnehmer«, erklärte die stellvertretende Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping.

Artikel vom 19.07.2006