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Viele Libanesen sind wütend
auf die Hisbollah-Milizen

Fünfter Tag der israelischen Angriffe - tiefe Bombenkrater in den Straßen

Von Weedah Hamzah
und Ulrike Koltermann
Beirut (dpa). Rauchwolken hängen über der Stadt, Beirut ist grausam aus seiner Sommerstimmung gerissen. Die Geschäftsstraßen in der libanesischen Hauptstadt, über die vor wenigen Tagen noch reiche Touristen aus den Golfstaaten flanierten, sind leer. Vor allem in den christlichen Vierteln der Stadt wächst unter der Bevölkerung die Wut auf die Schiitenmiliz Hisbollah, die die israelischen Angriffe provoziert hat.

»Was haben sie unserem Volk angetan!« sagt Georgette Hadad, die gestern Morgen auf dem Weg zur Kirche ist. »Sie sagen, sie wollen Krieg. Aber es sind nicht ihre Kämpfer, die sterben, sondern die Menschen hier.«
Nur wenige trauten sich am fünften Tag der israelischen Angriffe auf die Straße. »Wir bleiben alle zu Hause und verfolgen die Situation im Fernsehen«, sagt Nayla Saba, die im Christenviertel Aschrafiya wohnt. »Wir beten, dass die internationale Gemeinschaft eine Lösung findet und einen Waffenstillstand erreicht, so dass nicht noch mehr Menschen ihr Leben verlieren müssen«, fügt sie hinzu. Hisbollah habe Israel unterschätzt und wohl kaum mit einer so heftigen Reaktion gerechnet, meint Saba.
Einige Supermärkte waren gestern rund um die Uhr geöffnet, viele Libanesen deckten sich mit Vorräten ein, als ob ihnen eine lange Belagerung bevorstünden. Auch vor den Tankstellen bildeten sich lange Schlangen.
Viele tankten ihre Autos voll, für den Fall, dass sie doch die Stadt verlassen. Andere kauften Diesel für ihre Generatoren. Seit der Zerstörung mehrerer Elektrizitätswerke gibt es in einigen Stadtvierteln keinen Strom mehr.
Im Schiitenviertel im Süden Beiruts bieten sich Szenen der Zerstörung. Das neunstöckige Gebäude, in dem die Hisbollah ihren Sitz hatte, ist fast vollständig zerstört, ebenso wie das Wohnhaus des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah. In den Straßen sind tiefe Bombenkrater, abgerissene Brückenteile ragen in die Luft, unter dem Schutt liegen Autowracks. Auch hier sind nur wenige Menschen auf der Straße.
Einige Hisbollah-Milizionäre in Tarnanzügen laufen zwischen den Trümmern umher und versuchen, einen Überblick über das Ausmaß der Schäden zu bekommen.
»Ich weigere mich, die Gegend zu verlassen, egal wie sehr sie bombardiert wird«, sagt Ali Haidar aus dem besonders stark getroffenen Viertel Haret Hreik. »Wenn ich schon sterben muss, dann wenigstens zu Hause.«
Viele der verbliebenen Ausländer hoffen auf eine baldige Ausreise. »Es ist kaum auszuhalten, mit all den Bomben hier«, sagt eine britische Touristin dem Sender BBC. »Unsere Botschaft hat uns gesagt, wir sollen zunächst mal im Hotel bleiben, aber wir haben große Angst.«
Eine junge Deutsch-Libanesin, die seit drei Jahren in Beirut studiert, sagte dem ZDF: »Ich konnte kein Auge zumachen, ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Bomben gehört. Ich will hier raus, es ist schrecklich.«
Die libanesische Regierung hat ihren Bürgern bislang wenig Mut zusprechen können. Ministerpräsident Fuad Siniora kritisierte indirekt die Aktion der Hisbollah und betonte das alleinige Recht der Regierung, über Frieden und Krieg zu entscheiden. Doch diese Aussage kam in den Augen vieler Libanesen zu spät. Am Ende seiner Fernsehansprache standen ihm Tränen in den Augen. »Libanon wird sich nicht unterkriegen lassen«, sagte er und wiederholte es gleich mehrfach.

Artikel vom 17.07.2006