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Russland schiebt
Bielefelder ab

Inhaftierte Studenten freigelassen

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Die Bielefelder Fotografiestudenten Eike Korfhage (30) und Henning Wallerius (25) sind am Samstagabend unerwartet aus russischer Haft entlassen und nach Estland abgeschoben worden. »Wir danken allen, die sich für uns eingesetzt haben!«, sagte Korfhage gestern in der estländischen Grenzstadt Narva.

Im Rahmen einer Studienarbeit hatten die beiden Fotografen Demonstranten begleitet, die von Berlin nach St. Petersburg geradelt waren, um gegen den dort stattfindenden G 8-Weltwirtschaftsgipfel zu demonstrieren. Heute vor einer Woche waren die Bielefelder in St. Petersburg festgenommen und am Tag darauf zu zehn Tagen Haft verurteilt worden - wegen angeblichen Öffentlichen Urinierens. Diesen Vorwurf hatten Korfhage und Wallerius bestritten. Sie gehen davon aus, dass man sie für Anti-G 8-Aktivisten gehalten und deshalb aus dem Verkehr gezogen hatte.
Samstagabend gegen 19 Uhr hatte ein russischer Beamter den beiden in ihrer Zelle eröffnet, dass sie ausgewiesen würden. Der Transporter, mit dem die Studenten zur Grenze gebracht wurden, stoppte zuvor am deutschen Generalkonsulat, das die Wertsachen der Bielefelder vor einer Woche in Verwahrung genommen hatte. »Niemand hat uns erklärt, warum wir plötzlich freigelassen werden. Auch das Generalkonsulat wusste nicht Bescheid«, sagte Korfhage dem WESTFALEN-BLATT.
Der Student dankte den Mitarbeitern der deutschen Auslandsvertretung, die ihn und seinen Kommilitonen in der Haft mit Wasser und Essen versorgt hatte. »Die Besuchszeit der Konsulatsmitarbeiterin wurde uns allerdings von unserem täglichen, 15-minütigen Freigang abgezogen, den wir in einem zwölf Quadratmeter großen Zwinger verbringen mussten.«
Die Anweisung, die Bielefelder noch während des G 8-Gipfels freizulassen, muss nach Ansicht des Bielefelder Europaabgeordneten Elmar Brok direkt aus Moskau gekommen sein. Wie Brok gestern sagte, habe sich das Kanzleramt in den Fall eingeschaltet. Zudem habe er in der vergangenen Woche den russischen Botschafter bei der EU in Brüssel darüber informiert, dass die beiden Bielefelder keine Anti-G 8-Aktivisten seien. »Zusammen mit weiteren engagierten Menschen haben wir offenbar ein Umdenken in Moskau erreicht - auch wenn es wahrscheinlich niemals eine offizielle Erklärung für die Freilassung geben wird.«
Gegen 0.30 Uhr waren die Studenten gestern in Estlands eingetroffen, wo sie in einer Schule unterkamen. Wann und wie sie nach Deutschland zurückkehren, war gestern noch ungewiss.

Artikel vom 17.07.2006