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Vertrauenskrise
Dicht
am
Rad

Von Hans Peter Tipp  

Als Etappensieger Jens Voigt am Samstag nach seinem des Dopings verdächtigten und in Frankreich nicht startberechtigten Kapitän Ivan Basso gefragt wurde, da antwortete er: »Ich kann für niemanden meine Hand ins Feuer legen.« Damit nannte der Berliner genau das Problem, das dem Radsport Anhänger in Massen und der Tour 2006 sportliche Aufmerksamkeit sowie Einschaltquote kostet.
Wem kann man denn wirklich noch trauen bei dieser Plackerei über mehr als 3500 Kilometern? Der Mehrheit, der Minderheit? Jedes Mal, wenn ein neues Gesicht zum munteren Gelbes-Trikot-Wechsel-Dich-Spielchen bei der Siegerehrung erscheint, spukt der böse Verdacht zumindest im Hinterkopf wieder herum: Hat der vielleicht nicht auch? Wie die Sportart auf diesen extremen Vertrauensverlust reagieren will, bleibt bislang ebenso offen wie das Vorgehen bei der Dopingbekämpfung.
Der Verdachtsfall Jan Ullrich belegt ansatzweise, warum es so schwierig ist, an die wirklichen Drahtzieher heranzukommen. Denn selbst in ihrer schwärzesten Stunde sehen sich diejenigen, die vermeintlich von den Dunkel-Dienstleistern profitieren, nicht in der Pflicht, ihr Wissen preiszugeben. Auch der Tour-Sieger von 1997 schweigt sich aus. Weder ist Ullrich bereit, seine angebliche Unschuld zu beweisen, noch packt er aus und nennt die Hintergründe und - vor allem - die Hintermänner.
Denn wichtiger als der in Deutschland geplante runde wäre endlich ein reiner Tisch. Welch ein leuchtendes Signal wäre es, wenn ein Star wie Jan Ullrich erläutern würde, was rund ums Rad wirklich Sache ist? Unabhängig davon, ob er sich selber bedient hat, dürfte ein ehemaliger Tour-Sieger ziemlich genau wissen, wer in seiner Branche am großen Rad dreht.
Leider ist diese Offenheit unter Teams, Managern, aktiven und nicht mehr aktiven Fahrern nicht gewünscht. Zumindest wird sie nicht gefordert oder gefördert.

Artikel vom 17.07.2006