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Letzter Rock'n'Roll
in der Eisenhütte

Abschlusskonzerte voller Nostalgie

Bielefeld (WB/se). Ralf Schuppner strahlt, obwohl er allen Grund hätte, traurig zu sein. Zum letzten Mal haben der Mitbegründer der Rock'n'Roll-Band »Thunderbirds« und seine Musikerkollegen den Leuten in der »Eisenhütte« eingeheizt. In einem Traditionsgebäude, das so viel von Bielefelder Musikgeschichte erzählen könnte. Doch am 20. Juli ist Schluss: Abrissbirne und Bagger kommen, und die »Eisenhütte« in der Marktstraße wird Geschichte sein.

»Heute muss keiner traurig sein. Hier haben wir großartige Konzerte mit tollen Fans erlebt. An Abende wie heute werden wir uns erinnern«, ruft Schuppner von der Bühne den Fans zu, die ihm postwendend mit lautem Jubel zustimmen.
Schon lange ist der Abriss des Gewerkschaftshauses beschlossen, und das nahm der Sechziger-Jahre Musikverein »Beat-Club 66« zum Anlass, noch einmal an die glorreichen Zeiten des Gebäudes zu erinnern. »Mit zwei Konzerten am Freitag und Samstag werden wir uns standesgemäß von der ÝHütteÜ verabschieden«, hatte Organisator und »Beat Club«-Mitglied Manfred Kuhlmann vorab erklärt und hinzugefügt: »Wir präsentieren ausschließlich Bands, die hier schon in den Sechzigern gespielt haben.« So standen neben den Bielefelder »Thunderbirds« auch »Die Fremden« aus Krefeld, die Bielefelder »Red Devils« und die »Blackbirds« aus Minden noch einmal auf der Bühne der »Eisenhütte«.
Beide Konzerttage waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft - etwa 600 Beat- und Oldiefans jubelten, tanzten und schwelgten am Freitag und Samstag in Erinnerungen. Auch die 62-jährige Christel Slomka war gekommen, um sich von der »Hütte« zu verabschieden. Am Ende des Saals stand sie auf einem Stuhl, »weil es mir vorne doch zu heiß und zu stickig ist. Dafür bin ich mittlerweile zu alt.« Das Alter hinderte sie jedoch nicht daran, auf dem Stuhl mitzutanzen - mit besserer Luft und besserem Überblick. »Hier habe ich wirklich tolle Musikabende erlebt. Das letzte Mal ist allerdings schon 25 Jahre her«, erinnerte sich Christel Slomka und schwofte gleich wieder zu den Liedern, die von der Bühne herüberschallten.
Die Erinnerung der vielen Zuschauer war die Motivation für Manfred Kuhlmann, die Abschiedskonzerte auf die Beine zu stellen: »Hier haben die meisten von uns ihre Jugend verbracht, tolle Beat- und Oldie-Musik gehört und vielleicht ihren späteren Ehepartner kennengelernt. Schließlich war die ÝEisenhütteÜ, was Musik angeht, ab 1962 der wichtigste Laden in Bielefeld.« Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blickte er dem Abriss des Hauses entgegen: »Nachdem die Gewerkschaft die ÝHütteÜ übernommen hatte, wurde im Inneren viel verändert. Vor allem der Saal ist im Gegensatz zu damals deutlich verkleinert worden. Also hat man sich nach alternativen Räumlichkeiten in Bielefeld umgesehen und diese glücklicherweise recht schnell gefunden.«
Das die Musikfans die »Eisenhütte« geliebt haben und sie vermissen werden, zeigte die Stimmung am Wochenende. Lange bevor die erste Band die Bühne betrat, fuhr den meisten schon der Rhythmus in die Beine, als DJ Kuhlmann in der »60's Beat-Disco« seine Scheiben auflegte. An beiden Tagen wurde bis spät in die Nacht mit den Bands gefeiert. »Genau wie damals. Tolle Musik und tolle Stimmung«, freute sich Christel Slomka und stieg vom Stuhl, wohl wissend, dass dies der letzte Abend in der »Eisenhütte« war, bevor die Abrissbagger den Ton angeben . . .

Artikel vom 17.07.2006