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Das Ende des
Freudentaumels

Italiens Skandal: Kritik an Urteilen

Rom (dpa). Entsetzte Clubs, wütende Fans, verunsicherte Weltmeister und verwunderte Juristen - die drastischen Sportgerichtsurteile im Fußball-Skandal haben Italien aus dem WM-Freudentaumel gerissen.

Juventus Turin, Lazio Rom und der AC Florenz verurteilte das Gericht des italienischen Fußballverbands (FIGC) wegen Spielmanipulationen zu Zwangsabstieg in die Serie B und hohen Strafpunkten, der AC Mailand kam mit Punktabzügen und der Verbannung aus der Champions League davon. Rekordmeister Juve wurden zudem die letzten beiden Meistertitel aberkannt. Die Verurteilten beklagten die Strafen als »unerhörte Ungerechtigkeit« und kündigten Berufung an.
In zweiter Instanz werden bis zum 25. Juli die endgültigen Urteile gesprochen, damit Italien rechtzeitig seine Clubs für die Europacup-Wettbewerbe melden kann. Die Verurteilten kritisierten den Prozess als unfaires Eilverfahren. »Uns hat nicht Mal einer eine Frage gestellt, geschweige denn mit Beweisen konfrontiert. Wir haben nichts getan«, schimpfte der Florentiner Club-Präsident Diego Della Valle. Lazio-Chef Claudio Lotio kündigte an, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.
Juventus-Präsident Cobolli Gigli schimpfte: »Ich bin stinkesauer«, sagte der Turiner, nach dessen Meinung »kein einziger Beweis für eine Spielmanipulation« zu Gunsten von Juve vorliege. Auch der AC Milan betonte seine Unschuld und beklagte die »außergewöhnliche Ungerechtigkeit.«
Der frühere Präsident des FC Bologna, Giuseppe Gazzoni, der bereits vor Jahren in Bezug auf Juve-Manager Luciano Moggi und seinem Netzwerk von einer »Fußball-Mafia« gesprochen hatte, zeigte sich dagegen zufrieden. »Für mich ist das eine moralische Wiedergutmachung«, sagte Gazzoni. Ministerpräsident Romano Prodi hatte einer Amnestie nach dem WM-Titel eine klare Absage erteilt und vom Gericht gefordert, dem »Fußball wieder Moral zu geben.«
Durch die 30 Strafpunkte, die das Gericht Juventus Turin aufbrummte, erscheint der direkte Wiederaufstieg unwahrscheinlich. Dem Club droht der Ruin. Das gleich gilt für Florenz (12 Strafpunkte) und Lazio (7). Milan wird mit einem Handicap von 15 Zählern in der Serie A starten, aber durch die Teilnahme am UEFA-Cup den finanziellen Verlust etwas abfedern können. Zudem wurde Milan der Titel 2005 zuerkannt. Der Meistertitel 2006 bleibt bisher unvergeben.
Moggi erhielt als Drahtzieher der Liga-Manipulationen ein Berufsverbot von fünf Jahren und eine Geldstrafe von 50 000 Euro. »Mich bedaure ich weniger als die Clubs und Fans«, sagte Moggi. Juve und alle anderen seien durch das Urteil betrogen worden. Er habe nie Spiele manipuliert oder Schiedsrichter beeinflusst.
Das Gericht war anderer Meinung und verurteilte auch Ex-FIGC-Präsident Franco Carraro und Star-Schiedsrichter Massino De Santis zu viereinhalb Jahren Berufsverbot. Insgesamt wurden 19 von 26 angeklagten Funktionären verurteilt. S. 2: Kommentar

Artikel vom 17.07.2006