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Menschen Tag und Nacht im Luftschutzkeller

Bielefelds Partnerstadt Nahariya unter Feuer - Tote und Verletzte sind zu beklagen


Bielefeld (WB/dpa/bp). 41 Katjuscha-Raketen sind bis gestern auf Bielefelds israelische Partnerstadt Nahariya niedergegangen. Die Menschen sitzen in Schutzräumen oder im Keller, die Patienten des Krankenhauses wurden ebenfalls in die Kellergänge verlegt. Es soll bereits mehrere Tote gegeben haben, darunter ein Kind, außerdem mehr als 50 Verletzte.
Das Seebad, das nur zehn Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt liegt, wurde stark zerstört. »So etwas haben wir noch nie erlebt«, sagt der 48-jährige Avi Galon. Klaus Kreppel, Lehrer am Heeper Gymnasium, das durch eine Partnerschaft mit der Amalschule in Nahariya verbunden ist, hatte Kontakt mit Andreas Meyer, einem Mitbegründer der Städtepartnerschaft. Er wohnt außerhalb von Nahariya und kann die Stadt nicht mehr erreichen. Eine ehemalige Gastlehrerin erzählte Kreppel, dass Katjuscha-Raketen auch eines der bekanntesten Lokale der Stadt, das »Café Pinguin«, in Mitleidenschaft gezogen haben.
Die Menschen in Nahariya belastet es überdies, dass einer der beiden entführten israelischen Soldaten aus der 55 000-Einwohner-Stadt stammt. »Wir stehen unter Feuer«, mailte Galia Mor, Partnerschaftsbeauftragte in Nahariya, ins Bielefelder Rathaus. Der Bürgermeister der Stadt, Jacky Sebag, versucht sich in Zweckoptimismus: »Die Bewohner der Stadt sind stark, unverwüstlich und dazu fähig, diese Krise zu überstehen.« Die Stadt hat ein Krisenzentrum eingerichtet.
In Bielefeld gibt es eine Nahariyastraße, im Übergang zwischen dem Alten und dem Neuen Rathaus gibt es ein Nahariyafenster, und auch die BGW hat im Sitzungssaal ihrer Verwaltung zwei Glasfenster eines Künstlers aus Nahariya.
In Bielefelds Partnerstadt haben nur noch wenige Geschäfte und Lokale geöffnet. Deren Besitzer wollen vor allem die Illusion von einem normalen Leben aufrecht erhalten. Der Café-Besitzer Tal Meir meint, allein das Öffnen seiner Gaststätte würde ihn davon abhalten, den Verstand zu verlieren. Ein Teil der Einwohner hat die Stadt verlassen und ist zu Verwandten im Süden gezogen; andere verbringen Tag und Nacht im Luftschutzkeller. Jacklin Kobi (41) hat Angst um ihren kleinen Sohn: »Er spricht nur noch über den Tod.«

Artikel vom 17.07.2006