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Für Sektlaune gibt es keinen Anlass

An diesem Samstag beginnt in St. Petersburg der Weltwirtschaftsgipfel G-8

Von Gernot Heller
Berlin (Reuters). Für Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte ihr erster Weltwirtschaftsgipfel (G8) ein denkwürdiges Ereignis werden. Sie kann am Montag ihren 52. Geburtstag im Kreise der Staats- und Regierungschefs der anderen sechs führenden Industrieländer und Russlands feiern. Ob das Treffen in St. Petersburg allerdings selbst Anlass für Sektlaune bringen wird, ist fraglich.
Wladimir Putin (r.) und seine Frau Lyudmila holten George W. Bush und seine Laura nach der Ankunft in St. Petersburg zum Essen ab. Foto: dpa

Die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen und Russlands (G8) wollen die Kriegsgefahr im Nahen Osten eindämmen. Unmittelbar vor Beginn suchten Diplomaten angestrengt nach Wegen, die Brandherde nach den israelischen Militärschlägen im Gaza-Streifen und im Libanon zu löschen. Auch auf die zugespitzten Krisen um die Atomprogramme des Irans und Nordkoreas versucht die Gipfelrunde geschlossen zu antworten. Ursprünglich sollte die weltweite Sicherheit der Energieversorgung das dreitägige Treffen prägen. Bis zum Beginn der Konferenz herrschte allerdings Uneinigkeit über eine gemeinsame Linie.
Erstmals hat Russland den G8-Vorsitz inne. Präsident Wladimir Putin empfängt die Staats- und Regierungschefs aus den USA, Deutschland, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien und Italien im 2003 wiedererrichteten Konstantin-Palast am Finnischen Meerbusen. Dessen Pracht wird mit dem von Schloss Versailles bei Paris verglichen.
Die russische Präsidentschaft lotete zunächst ohne Ergebnis eine gemeinsame Linie zur dramatisch zugespitzten Lage im Nahen Osten aus. Nach Angaben aus Regierungskreisen am Freitag in Berlin ist eine G8-Initiative zu Nahost dennoch wahrscheinlich. Die Bundesregierung hofft auf eine geschlossene Haltung. Gemeinsames Vorgehen erwartet Berlin auch im Fall der Uran-Anreicherung im Iran.
Über die internationalen Krisenherde sprach Putin am Freitagabend mit US-Präsident George W. Bush. Bei dem Abendessen ging es um eine engere Zusammenarbeit beider Staaten bei der Kernenergie und um Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO. Nach Informationen russischer Medien war ein Durchbruch bei den Handelsfragen zum Greifen nahe. Bush und Putin werden an diesem Samstag nach einer Arbeitssitzung die Ergebnisse vorstellen.
Auch wenn die G8-Partner darauf dringen, dass der Iran und Nordkorea jedes Streben nach militärischer Nutzung von Atomkraft aufgeben, streiten sie über den Weg dahin. Im Fall des Irans wollen die USA eine rasche Antwort der Führung in Teheran auf das Angebot der Staatengemeinschaft, dem Land bei der zivilen Nutzung der Nukleartechnik zu helfen. Russland und China - als ständige UN-Sicherheitsratsmitglieder - bremsen.
Der chinesische Staatschef Hu Jintao wird am Montag zur Gipfelrunde stoßen. Dann beraten die G8 mit den Führern der wirtschaftlich aufstrebenden Nationen China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika über eine faire Verteilung der Energiereserven und die Weltlage.
Angesichts der jüngsten Raketentests in Nordkorea wollen die G8-Staaten nach Angaben deutscher Regierungskreise das Regime in Pjöngjang scharf in einer gemeinsamen Erklärung verurteilen. Nordkorea werde aufgefordert, die Versuche einzustellen und zu den Gesprächen über ein Ende seines Atomwaffenprogramms zurückzukehren. Während Japan einen harten Kurs gegenüber Nordkorea fordert, plädiert China für Geduld, um seine Vermittlung in dem Konflikt nicht zu gefährden. Peking blockiert eine von Japan verlangte scharfe Resolution im Sicherheitsrat.

Artikel vom 15.07.2006