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»We can jump in the Obersee«

Hunderte tanzten begeistert beim Bielefelder »Woodstock«-Festival

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Schildesche (WB). Die Hippies sind zurück! Zum »Woodstock«-Festival am Obersee tauchte am Samstag das Bekenntnis der Blumenkinder wieder auf den T-Shirts auf: »Make love, not war«. Und Arlo Guthrie klampfte dazu.

Okay, nicht Arlo himself, aber alle Bands waren aufgefordert worden, in ihr Repertoire Songs einzubauen, die im August 1969 beim legendären Festival in der Nachbarschaft der Woodstock-Künstlerkolonie gespielt worden waren. Also stimmten D.D. Taube und sein Drummer Jürgen Jo Kersten, die die Besucher des »Seekrug«-Geländes auf Beat-Temperatur brachten, Guthries »Coming into Los Angeles« an und versahen den »Canned Heat«-Hit »Going up the Country« mit Lokalkolorit: »We can jump in the Obersee, stay drunk all the time«.
Rituelle Beschwörungsformeln gegen den Regen (»no rain!«), die ja schon vor 37 Jahren vergebens erschollen, waren diesmal überflüssig, was niemanden mehr freute als die Organisatoren. »Tomcat«-Manager Thomas Bökenkamp, »Seekrug«-Mitarbeiter Matthias Barkholz und Christian Schulz, der Max Yasgur von Schildesche, möchten aus ihrem Mini-Woodstock eine feste Einrichtung machen. (Max Yasgur hieß der Farmer, auf dessen Gelände damals 400 000 Hippies kampierten, aber das wussten Sie natürlich.) »Wir wollen kein Ballermann-Niveau, sondern die gute alte Musik mit entspannten Gästen«, erklärte Schulz, der als Angehöriger des Jahrgangs 1958 knapp am Original-Woodstock vorbeigeschrammt war.
Keine Haschisch-Schwade vernebelte den sonnenklaren Julitag am Obersee, »denn Musik ist die beste Droge«, versicherte Irene Wroblewsky (Jahrgang 1953), die das Lebensgefühle der Blumenkinder voll verinnerlicht hat. Besticktes Kleid, Zöpfe, Stirnband und natürlich barfuß, kurz: im Look der 60er, tanzte die Sozialpädagogin über das Gelände. »Das Schöne war die Toleranz jener Jahre, der sich alle Schichten der Gesellschaft verpflichtet fühlten.«
Schön war damals auch die Großzügigkeit, die zum Glück auf unsere Tage überkommen ist: Die Brauerei Felsenkeller, die Volksbank Bielefeld, »Rainbow Promotion«, Bolius Veranstaltungstechnik, »See Quence« und andere halfen dem Schilsker Festival auf die Beine. Also: Blumen ins Haar und Girlanden um den Hals, »come on, come on, let's work together« (»Status Quo«).
»Tomcat« heizte dem Publikum mit erdigem Rock ein, stimmte eine Lärmsinfonie der »Who« an (»Summertime Blues«), und wer genau hinhörte, vernahm auch ein paar Takte von Hendrix' »Star Spangled Banner«, die ultimative Komposition zum American Way of Death. Außerdem wurde das Publikum Zeuge einer Uraufführung: Scared shitless, wie weiland Neil Young in Woodstock mit furchtbarem Lampenfieber, rockten - erstmals öffentlich - nicht mehr ganz taufrische Schüler der Bielefelder »Music School«. Die »Methusalix All Star Connection« zog sich achtbar aus der Affäre - und dann enterten ihre Lehrer die Bühne.
Wahre Profis, das hörte jeder sofort. Schon die eröffnende »Black Magic Woman« (Santana) elektrisierte die Zuhörer, bei »Black Night« (»Deep Purple«) spielten selbst grauhaarige Familienväter Luftgitarre, und nach Joe Cockers Gänsehaut-Ballade »With a little Help from my Friends« wurden Zugaben verlangt. »Es muss nicht immer Klassik sein«, sagt der »Music School«-Lehrer und Bassgitarrist Christoph Stocksmeier (Jahrgang 1964). »Meine Erfahrungen zeigen: Auch wenn sie Rock und Pop spielen, bleiben Jugendliche eher in der Spur als ihre unmusikalischen Altersgenossen.«
Make love, not Bandenkrieg. Freuen wir uns also auf Woodstock am Obersee 2007.

Artikel vom 17.07.2006