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Kleidsames zwischen Retro und Recycling

Friederike von Müller macht Mode

Von Uta Jostwerner
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Eigentlich sind Tücher und Schals zeitlose Accessoires. Es gab aber auch Zeiten, da genoss der Modeklassiker Kultstatus. Heute fragt keiner mehr nach den schrillen Farben und Drucken, die, auf Seide und Synthetik gebannt, ab Mitte des 20. Jahrhunderts zu Symbolen für Wohlstand und Luxus wurden. Außer Friederike von Müller, die gar nicht genug davon kriegen kann.

Die Bielefelder Modedesignerin verarbeitet alte Originaltücher und Schals zu ausgefallenen Kleidern und Röcken. In ihrer so genannten Tuchkollektion, der neuesten Linie ihres Mode-Labels »Puddingtown«, ist jedes Stück ein Unikat.
Zwei Tücher ergeben einen Rock, vier braucht's für ein Kleid. Mit der Leidenschaft des Jägers und Sammlers stöbert die Designerin auf Flohmärkten oder im Internet nach »Beute«. »Mein Fundus ist riesengroß. Daraus die passenden Tücher zusammenzustellen, ist die erste Designleistung«, sagt von Müller, die die passenden Ensembles in Einmachgläsern aufbewahrt und in ihrem Showroom an der Große-Kurfürsten-Straße einen ganzen Küchenschrank mit »Einweckware« füllt. Weniger aus dekorativen Zwecken, sondern in konsequenter Durchgestaltung ihrer Marketingstrategie, die auf die geschickte Verknüpfung von Mode und Bielefeld als Puddingstadt setzt.
Offenbar mit Erfolg. »In einer anderen Stadt wäre ich kaum aufgefallen. Aber Bielefeld ist als Standort für das Label Puddingtown extrem medienwirksam«, erzählt Friederike von Müller, deren Kollektionen regelmäßig in angesagten Trendmagazinen neben Gucci oder Dolce & Gabbana erscheinen. Mittlerweile verkauft von Müller ihre Mode in Düsseldorf, Köln und im Internet. Aktuell zeigt das Kunsthandwerksmuseum in München Arbeiten der Bielefelderin zum Thema Picknick. Und der WDR sendet am Sonntag, 16. Juli, 20.15 Uhr, im Rahmen der Serie »Wunderschönes NRW« ein Porträt der erfolgreichen Designerin.
Kein Wunder, geht die Modemacherin in ihrer kreativen Vorgehensweise und Konsequenz doch weit über die derzeit angesagte Retro-Welle hinaus, indem sie stets nur Originalstoffe verwendet. Waren es früher alte Tischdecken, Bettbezüge, Küchenschürzen und Gardinenstoffe der 50er bis 70er Jahre (das WESTFALEN-BLATT berichtete mehrfach), so hat Friederike von Müller mittlerweile den Charme und die Einzigartigkeit alter Tücher für ihre Mode entdeckt.
»Die Anmutung des Drucks, der Motive und Farbigkeit, all dies ist bei den Originalstoffen viel schöner«, ist von Müller überzeugt. Sie, die von Kindheit an Muster liebt, fügt unterschiedliche Dessins zu einem harmonischen Kleidungsstück zusammen und lässt sich bei der Wahl des Schnittmusters ganz vom Stoffmuster leiten. »Jeder Zuschnitt ist vergleichbar mit dem Malen eines Bildes«, sagt sie.
Kundinnen bietet von Müller bei Bedarf auch maßgeschneiderte Mode aus Puddingtown an. Zudem kann man sich die Stoffe in ihrem Atelier selbst zusammenstellen. »Beliebt sind etwa Röcke aus Tüchern, die Jagdszenen darstellen«, weiß Friederike von Müller. Dass ihre Kundinnen meist Mitte 30 und älter sind, erklärt sich die Designerin folgendermaßen: »Sie haben einen Bezug zu den Stoffen und verbinden damit ganz bestimmte Erinnerungen.« Erinnerungen, die Friederike von Müller in schriller, aber origineller Mode wieder zum Leben erweckt.
Mehr davon gibt's im Internet:
www.puddingtown.com

Artikel vom 15.07.2006