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G8: Nahost-Erklärung
erst nach hartem Ringen

Merkel: »Wir lassen uns nicht auseinander dividieren«

St. Petersburg (dpa). Die sieben führenden Industriestaaten und Russland (G8) reagieren auf die Kriegsgefahr im Nahen Osten konzeptlos. Die Staats- und Regierungschefs suchten gestern im russischen St. Petersburg zunächst vergeblich eine gemeinsame Sprache.

Nach langem Ringen einigten sich die Staats- und Regierungschefs der G8 gestern schließlich doch noch auf eine gemeinsame Nahost-Erklärung. Darin werden alle Seiten zur Einstellung der Angriffe aufgefordert. Israel müsse die Bombardierungen beenden und die Hisbollah sowie die Hamas die Angriffe auf Israel. Zugleich forderten die Gipfelteilnehmer die Freilassung der Geiseln.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte dazu in St. Petersburg, damit habe die G8 gezeigt: »Wir lassen uns nicht auseinander dividieren.« Die Erklärung zeige, dass es die G8 nicht zulassen würden, »das die terroristischen Kräfte und die, die sie unterstützen, ein Chaos anrichten«, sagte Merkel.
Es solle eine Beobachter- und Sicherheitsmission unter Leitung der Vereinten Nationen eingerichtet werden. Auf die Frage, ob es eine reelle Chance auf Frieden im Nahen Osten gebe, sagte Merkel: »Wir hoffen, dass das verstanden wird.«
Angesichts der Bilder der Zerstörung in Israel und im Libanon rückte das zentrale Gipfelthema Energiesicherheit in den Hintergrund. Dennoch einigte sich die Runde erstmals in der G8-Geschichte auf Spielregeln, die zwar unverbindlich sind, aber für Energielieferanten und -konsumenten Sicherheitsgarantien sein sollen. Die G8 will zudem beim Kampf gegen die Vogelgrippe und im Bildungswesen zusammenarbeiten.
Der britische Premier Tony Blair und sein kanadischer Kollege Stephen Harper folgten Bush bei der Einschätzung, die Schuld an der Eskalation liege bei der Hisbollah-Miliz und der palästinensischen Hamas sowie deren mutmaßlichen Sponsoren Syrien und Iran. Israel habe alles Recht, sich angesichts der entführten Soldaten und Angriffe zu wehren, sagte Bush, mahnte aber bei der israelischen Regierung an, Verhältnismäßigkeit zu wahren.
Eine von Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac und Russlands Präsidenten Wladimir Putin geforderte sofortige Feuerpause lehnten die USA ab. Es wäre ein falsches Signal an Hisbollah und Hamas, sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice. Putin unterstellte Israel, über die Befreiung der Soldaten hinaus auch andere Ziele zu verfolgen.
Eine vereinbarte Zusammenarbeit gegen Nuklear-Terrorismus blieb eines der wenigen greifbaren Ergebnisse der russisch-amerikanischen Gespräche vor Beginn des Gipfels. Auch nach mehr als zehnjährigen Verhandlungen blockieren die USA weiterhin den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO.
Gastgeber Putin war über diesen Auftakt offensichtlich verstimmt. Russland führt zum ersten Mal den Vorsitz in der mächtigen Gruppe der Acht, zu der außerdem die USA, Deutschland, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien und Italien gehören.
Die Gipfelrunde beriet auch, wie die internationale Gemeinschaft mit den umstrittenen Atomprogrammen des Irans umgehen soll. Putin wies Bushs Forderung, Russland möge sich der harten Haltung der USA anschließen, zurück. Zwar sei Russland gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten, sagte Putin. »Wir werden uns nicht an einem Kreuzzug beteiligen.«
In der Arbeitssitzung einigte sich die G8 erstmals auf ein Konzept, um die weltweite Energieversorgung sicherzustellen. Heute endet das Treffen.Leitartikel

Artikel vom 17.07.2006