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Wenn es um politischen Einfluss und wirtschaftliche Interessen geht, kocht jeder sein eigenes Süppchen.

Leitartikel
G8-Gipfel

Viel Licht und
noch mehr
Schatten


Von Dirk Schröder
Mit am Himmel versprühten Chemikalien hat der russische Präsident Wladimir Putin beim G8-Gipfel in St. Petersburg dafür gesorgt, dass keine Wolken und Regentropfen das Treffen der führenden Industrienationen trüben. Doch auch der Kreml-Chef muss jetzt erfahren, dass (noch) nicht alles nach seinen Vorstellungen verläuft. Zwar hat er in seinem Riesenreich seine eigene Version von Menschenrechten durchgesetzt, hat ganz allein bestimmt, was Medienfreiheit bedeutet, und hat auch dafür gesorgt, dass in Russland der politische Zentralismus neu belebt worden ist.
Ganz in diesem Sinne wollte er sich auch unter der St. Petersburger Sonne als strahlender Gastgeber des Gipfeltreffens präsentieren, alle Kritiker davon überzeugen, dass auch Russland in diesen erlauchten Kreis gehört.
Doch noch so viele Schönwetter-Flugzeuge haben nicht die dunklen Schatten vertreiben können, die die erneute Eskalation der Gewalt im Nahen Osten über das Treffen der Staats- und Regierungschefs im prunkvollen Konstantin-Palast in der »Venedig des Nordens« genannten Fünf-Millionen-Stadt gelegt haben.
Die diplomatischen Formulierungen des Papiers zu den Krisenherden heucheln doch nur eine große Gemeinsamkeit vor. Geschlossenes und energisches Handeln, um einen Flächenbrand im Nahen Osten zu verhindern, der sich bis in den Iran erstrecken könnte, sieht anders aus.
Es erweist sich wieder einmal: Wenn es ernst wird, haben die Mächtigen dieser Welt kein Rezept, um die Krisen zu lösen. Wobei dies nicht ganz richtig ist. Wenn es um politischen Einfluss und wirtschaftliche Interessen geht, kocht jeder sein eigenes Süppchen und von der so oft lauthals strapazierten Gemeinsamkeit bleibt dann nicht mehr viel übrig.
Das gilt für den drohenden Krieg im Nahen Osten ebenso wie für den Atomstreit mit dem Iran. Von der von US-Präsident George W. Bush und Putin so oft beschworenen Freundschaft ist in St. Petersburg nicht viel übrig geblieben. Zu Recht sieht Bush die Drahtzieher des zugespitzten Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah sowie der Hamas in Syrien und Iran. Zwar sind die Raketenangriffe und Entführungen auch für Putin unannehmbar, doch hält er Israels Reaktion für unangemessen. Und das aus dem Munde von jemandem, der noch immer das tschetschenische Volk mit Militärgewalt unterdrückt.
Um nicht missverstanden zu werden: Die Eskalation und das Blutvergießen müssen gestoppt werden. Mit dem Prinzip »Auge um Auge, Zahn um Zahn« muss Schluss sein. Das sollte auch die israelische Regierung einsehen.
Doch deutlich sollten auch die Ursachen genannt werden. Es sind die Extremisten von Hisbollah und Hamas, die, unterstützt von Syrien, Iran und anderen, die Feindseligkeiten nur weiter anfachen wollen. Um des Friedens willen - dagegen muss es doch ein Rezept geben und nicht nur Gipfel-Unverbindlichkeiten.

Artikel vom 17.07.2006