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Guter Tropfen aus der Ostsee

Ein Wein aus Algen erfreut Feinschmecker - und ist zudem noch gesund

Von Karen Katzke
Kiel (dpa). Für Gourmets ist er bereits der Geheimtipp zur heimischen Küche: der weltweit erste Algenwein. Dabei ist der herbe Tropfen ein Zufallsprodukt. Kieler Meeresbiologen entdeckten ihn, als sie einen Tank mit besonders lange gelagertem Algenextrakt öffneten, an den Sauerstoff gekommen war.

»Der duftete wie Sherry und hatte die typisch samtbraune Färbung gereiften Weines«, erinnert sich Inez Linke von der Kieler Firma Ocean Wellness. »Nach drei Jahren des Experimentierens sitzt jetzt jede Phase der Algenwein-Herstellung«, resümiert die Inhaberin von Deutschlands erster Algenfarm stolz.
400 Meter weit in der Ostsee - dem bestkontrollierten Binnengewässer der Welt, wie Linke betont - züchtet und erntet Ocean Wellness die unscheinbare Braunalge Laminaria Saccharina. Diese Ostseealge hat es in sich: Mineralien, Vitamine, Eiweiße, Jod und - der Name Zuckeralge verrät es - Zucker. Bislang produziert die kleine Firma mit Sitz in Kiel-Holtenau hochwertige Naturkosmetik und Pflegestoffe aus der Meeresalge. Nun soll auch das Gesundheitsgetränk dazu kommen.
»Die Algen werden fermentiert, eingemaischt und gären, mit Bakterien- und Hefekulturen versetzt, in großen Tanks bei Raumtemperatur«, schildert Linke. »Lebensmittelrechtlich und technisch gesehen ist das ein Wein, der da in Nordlage entsteht«, schmunzelt sie. Den Namen Wein allerdings macht ihr das Ordnungsamt Kiel streitig: Laut EU-Recht dürfe sich nur Wein nennen, was aus Trauben gewonnen sei, ließ die Behörde wissen. Linke will nun ihrerseits prüfen, ob eine Sondergenehmigung möglich ist. Immerhin gebe es ja auch Himbeer-, Erdbeer und Stachelbeer-Wein, sagt sie.
Die Uni Tübingen nahm den Begriff Algenwein jedenfalls schon einmal in ihre »Wortwarte« auf. Es sei »eine neue Sache, die einer neuen Benennung bedarf« - und die immerhin elf bis 13 Prozent Alkohol enthält. Doch ob nun Wein, Algenelixier oder, wie Inez Linke es hilfsweise behördenmäßig formuliert: »alkoholhaltiges Getränk auf Algenbasis« - Interesse hat das Produkt schon bei mehreren Spitzenrestaurants an der Förde und in Hamburg geweckt. Das Kieler Vier-Sterne-Wellnesshotel »Birke« etwa testete vorab. Dort steht die Laminaria nun auf der Getränkekarte.
Eine Flasche des Getränkes soll den Drei-Wochen-Bedarf eines Erwachsenen an Vitalstoffen decken - das entspräche täglich gut einem Schnapsgläschen voll, schildert Linke. Dabei soll das Algen- Kraftpaket das Immunsystem stärken, den Darm reinigen und den Körper entschlacken.
Der Meeresbiologe Levent Piker sieht weitere Möglichkeiten: »Selbst Geschäftspartner in Grönland haben Interesse bekundet. Angesichts leergefischter Meere könnten durch unsere Lizenz-Produktion Arbeitsplätze entstehen.« Wie das gehen könnte, zeigt das Beispiel Asien. Meeresalgen sind dort fester Bestandteil der Speisezettel. Lebensmittel- und Pharmaindustrie nutzen sie vielfältig.
Die Kieler Firma produziert vorerst noch im Kleinen. 400 Meter vom Ufer entfernt wachsen auf 100 mal 100 Metern die Algen in bis zu acht Meter Tiefe. Im Herbst im Labor kultiviert, werden sie im Dezember, wenn das Ostseewasser besonders klar und nährstoffreich ist, als Babyalgen an langen Leinen ausgesetzt. Im Mai und Juni schwärmen Taucher dann zur Ernte aus.
www.o-well.de

Artikel vom 15.07.2006