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»Da Capo« für Sony Music und BMG

Europäischer Gerichtshof erklärt die im August 2004 vollzogene Fusion für ungültig

Von Bernhard Hertlein
Gütersloh/Luxemburg (WB). Zwei Jahre nach ihrem Vollzug kommt die Fusion von Sony Music und dem Bertelsmann-Unternehmen BMG noch einmal auf den Prüfstand. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg gab gestern der Klage von Impala, einer internationalen Vereinigung von 2500 unabhängigen Musikproduzenten, nach.
Er bleibt Chef von Sony BMG: Rolf Schmidt-Holz.
Oliver Fahlbusch, Sprecher der Bertelsmann AG, reagierte gelassen. Der Gütersloher Medien- und der japanische Elektronikkonzern hätten sich streng an die Vorschriften des Kartellrechts gehalten. Deshalb sei nach dem erstinstanzlichen Urteil zunächst die Europäische Kommission am Zug. »Das heutige Urteil hat keine Auswirkungen auf den Bestand des Joint Ventures Sony BMG«, betonte Fahlbusch. Alles Weitere würden die Rechtsanwälte nach sorgfältiger Prüfung mit Brüssel besprechen. Dort bezeichnete ein Sprecher Spekulationen über eine Auflösung der Nummer 2 auf dem Weltmusikmarkt ebenfalls als »hypothetisch« und »theoretisch«.
Sony und BMG musizieren schon seit August 2004 gemeinsam. Unternehmenssitz ist New York. Dort führt seit einigen Monaten der frühere Bertelsmann-Vorstand Rolf Schmidt-Holz den Dirigentenstab. Er hat Anfang 2006 den von Sony eingesetzten Vorstandsvorsitzenden Andrew Lack abgelöst. Über dessen Misserfolge hatte man in Gütersloh schon geraume Zeit die Nase gerümpft.
Japaner und Deutsche halten zu gleichen Teilen 50 Prozent. Sony BMG zählt insgesamt 6000 Mitarbeiter. Es vereinigt unter seinem Dach Künstler wie Celine Dion, Anastacia, Alicia Keys, Avril Lavigne, Bruce Springsteen, Rod Stewart und »Die fantastischen Vier«. Im vergangenen Jahr erzielte Sony BMG einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro.
Spekulationen, Bertelsmann möchte sich im Zusammenhang mit den Aktienrückkäufen von GBL am liebsten von seinem Anteil am Musikunternehmen trennen, sind immer wieder zurückgewiesen worden -Êzuletzt vor drei Wochen erneut vom Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Gunter Thielen: »Wir glauben an das Musikgeschäft.« Verkauft wird allerdings das lukrative Druckgeschäft für die Musik; die Auktion für BMG Music Publishing, an der sich 15 Bieter beteiligen, ist nach Angaben aus Gütersloh bereits gestartet und soll bis zum kommenden Herbst abgeschlossen sein. Bertelsmann erhofft sich von dem Verkauf etwa 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs könnte auch Auswirkungen auf die Versuche von EMI und Warner Music haben, zu fusionieren. In jüngster Zeit haben sich beide Konzerne gegenseitig mit Kaufangeboten an die Aktionäre des jeweils anderen Unternehmens übertroffen. An den Börsen gaben die Aktienkurse von EMI und Warner nach Bekanntwerden des Urteils gegen Sony BMG deutlich nach. Die vier Großen produzieren zusammen drei von vier Musik-CDs, die weltweit herausgegeben werden.
Der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zufolge hat die EU-Kommission den Fusionsantrag fehlerhaft geprüft. Entscheidende Argumente seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Gegen diese Entscheidung können Gütersloh und Tokio innerhalb von zwei Monaten Rechtsmittel einlegen. Kurzfristig müssen die beiden Konzerne erneut den Zusammenschluss beantragen.
Sollte der Fusionsprozess tatsächlich noch ein Mal ganz von vorne beginnen müssen, stünden die Aktien für das Musik-Joint Venture trotzdem nicht schlecht: Seit dem Zusammenschluss hat das gemeinsame Unternehmen Marktanteile verloren. Die neue Situation wäre zwangsläufig Grundlage des neuen Verfahrens. Und möglicherweise hätten Bertelsmann und Sony bei einer Anlehnung der Fusion sogar Anrecht auf Schadensersatz von der EU. Doch bis dahin ist nach dem vom Gericht vorgegebenen »Da Capo« (Nachspiel) noch ein weiter Weg.

Artikel vom 14.07.2006