14.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

In Westfalen blitzt es häufiger

Ableiter schützen »zu 99 Prozent« - Installation für Hausbesitzer freiwillig

Von Dietmar Kemper
Delbrück (WB). »In diesem Jahr hat es Westfalen gut getroffen«, sagt Christian Hinderthür und muss schmunzeln. Schließlich meint der Junior-Chef der gleichnamigen Blitzschutz-Firma aus Delbrück (Kreis Paderborn) die Gewitter der letzten Wochen.

Es habe öfter gekracht als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres, berichtet die Wesfälische Provinzialversicherung in Münster. 2005 wurden ihr insgesamt 15 000 Schäden durch Blitzeinwirkung gemeldet. Heftige Gewitter forderten zuletzt vor allem im Kreis Höxter Tribut: Am Mittwoch vor einer Woche brannten an einem Abend zwei Stallungen nieder, und der Dachstuhl eines Bauernhauses fing Feuer. Schaden: mehr als 400 000 Euro.
Blitzableiter schirmen Gebäude ab, ein metallener Käfig leitet die Energie seitlich am zu schützenden Objekt vorbei in den Boden. Das System bestehe aus einer Fang-, einer Ableitungs- und einer Erdungsanlage, erläutert Christian Hinderthür. »Wegen der Urgewalt einiger Blitze kann es keinen vollständigen, aber immerhin einen 99-prozentigen Schutz geben«, sagt er. Die Absicherung für ein Ein-Familien-Haus koste etwa 3000 Euro.
Unterschieden wird zwischen dem äußeren Schutz für Gebäude und die Menschen darin und der inneren Vermeidung von Schäden an elektronischen Geräten mit Hilfe eines Überspannungsschutzes im Verteilerkasten. Jede dritte Blitzschutzanlage, die Junior-Chef Hinderthür und seine 20 Mitarbeiter für Kunden in ganz Deutschland bauen, installieren sie auf Wohnhäusern. Der Gesetzgeber schreibt Blitzableiter aber nur für Sonderbauten vor, also für Altenheime, Kliniken, Kirchen, andere Versammlungsstätten, Hochhäuser, Gewerbebauten und Supermärkte.
Häuslebauer können frei entscheiden, ob sie ihr Haus mit einem Faradayschen Käfig umgeben oder nicht. Verzichten sie auf einen Blitzableiter und es schlägt ein, muss die Versicherung trotzdem für den Schaden aufkommen. »Wir schreiben keine Blitzableiter vor, aber wer einen installieren lässt, kann möglicherweise einen Prämiennachlass aushandeln«, erklärt der Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Stephan Schweda. 80 000 mal wurde im Jahr 2004 Hausrat nach Blitzeinschlägen beschädigt oder zerstört. Die Versicherer überwiesen an ihre Kunden 40 Millionen Euro. »Die Blitzhäufigkeit in einer Region fließt in die Kalkulation der Prämien ein«, erläutert Schweda.
Die Firma Siemens verzeichnet das Naturspektakel auf einer Blitz-Karte (www.blids.de). Demnach zuckte es im vergangenen Jahr zwei Millionen Mal am Himmel über Deutschland, in NRW blitzte es 120 000 Mal und im Raum Bielefeld-Gütersloh 1100 Mal. Im Rheinland kracht es häufiger als in Westfalen.
Teilweise erreichen Blitze eine Stärke von 200 000 Ampere. Die technischen Anforderungen an die Geräte habe die Europäische Union in einer neuen einheitlichen Norm (0185-305) geregelt, sagt der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Blitzschutzfirmen (VDB/150 Mitglieder) in Köln, Rudolf Depiereux. Sie trete im Herbst oder Winter in Deutschland in Kraft. Depiereux warnt davor, sich bei Blitz und Donner unter überstehende Dächer zu stellen. »Wanderhütten haben beispielsweise solche Dächer, aber der Boden darunter ist nicht vor Einschlägen geschützt.« Ab ins Haus, lautet die Devise.

Artikel vom 14.07.2006