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Von Michael Diekmann

Bielefelder
Optik

Bittere Pillen im Tarifstreit


Der im Volksmund »Ärztestreik« genannte Tarifkonflikt im Gesundheitswesen ist beim Bürger vor Ort angekommen. Von Montag an müssen die Menschen auch in Bielefeld mit spürbaren Einschränkungen rechnen, nachdem sich die im Marburger Bund organisierten Mediziner erstmals mit einem Streikkomitee so organisiert und formiert haben, wie es alteingesessene Gewerkschaften von jeher zu tun pflegen.
Chronische Patienten, Notfälle, werdende Mütter und Krebspatienten haben die Medizinier von jedweden Beeinträchtigungen ausgeschlossen, wollen eher das System der Träger jenseits der Patientenzimmer treffen. Das Bild von schlechter Bezahlung und katastrophaler Arbeitszeit kommt rüber. Das Ergebnis ist zumeist Verständnis beim Bürger. Der will schließlich einen ausgeschlafenen und zufriedenen Arzt, wenn es um seine eigene Gesundheit geht.
Freitag zu Beginn der Besuchszeit bekamen die Bielefelder im Klinikum Mitte erstmals hautnah etwas von Arbeitskampf zu spüren. Etwa 40 in weiße verdi-Tüten gewandete und mit Trillerpfeifen und Fahnen ausgestattete Mitarbeiter aus Pflege und Haustechnik unterstützen die Ausführungen des örtlichen Sekretärs zum Arbeitskampf. Mehr Geld für ihre Ärzte lehnt verdi grundsätzlich ab.
Stattdessen sollen 150 Euro Wegepauschale für alle 1600 im Haus tätigen Mitarbeiter für Gleichheit sorgen, die es ohnehin nie gegeben hat. Mehr noch: Sollten die Ärzte der kommunalen Kliniken künftig tatsächlich mehr Geld bekommen, will verdi erst richtig losstreiken. Spätestens jetzt wird die Sache für den Normalbürger völlig unverständlich. Die seit Jahren in allen Bereichen und Branchen so moderne Liberalisierung aller Systeme, Privatisierung, Umfirmierung, Europäisierung oder Zertifizierung hat aus dem Gesundheitssystem einen völlig undurchschaubaren Moloch gemacht, in dem selbst Eingeweihte Probleme haben, zwischen Trägern, Tarifen und Angeboten zu unterscheiden. Nur eines wissen sie. Am Ende steigen die Kassenbeiträge - garantiert. Damit ist letztlich auch die Frage nach möglichem Verständnis des Normalbürgers für einzelne Interessengruppen kaum zu beantworten. Klar ist allerdings, was nicht passieren darf: Ausbleibende Hilfe für Patienten in der Klinik. So viel Augenmaß müssen alle haben.

Artikel vom 15.07.2006