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Mit schnellen Beinen und einer
knallharten Linken zum Erfolg

Zu Gast in der WB-Sportredaktion: Box-Champion Hans-Dieter Schwartz

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Wenn der ehemalige Deutsche Mittelgewichtsmeister Hans-Dieter Schwartz vor dem Bildschirm sitzt und die Boxkämpfe im Fernsehen verfolgt, kommt ein bisschen Wehmut auf. »Auf die Börsen bin ich schon ein bisschen neidisch. Aber auf die gezeigten Leistungen nicht«, sagt der gebürtige Bielefelder Hans-Dieter »Schotte« Schwartz.

Am 2. Mai dieses Jahres ist der ehemalige Champion 65 Jahre alt geworden. Mittlerweile lebt er zurückgezogen in dem kleinen beschaulichen Örtchen Evesen bei Bückeburg. Der letzte Gong ertönte für ihn vor 32 Jahren. »Das war in Dänemark. Mein letzter Kampf endete Remis«, erinnert sich Schwartz nur noch sehr vage an diesen Schlagabtausch.
Insgesamt hat er 207 Kämpfe bestritten. »Davon habe ich 185 gewonnen. Ein paar endeten Unentschieden und einige wenige Niederlagen habe ich auch kassiert. Aber nie bin ich K.o. gegangen«, verkündet er voller Stolz.
Hans-Dieter Schwartz hat es eigentlich dem Zufall zu vergangen, dass er in den Boxring stieg. Sein Vater »Schotte« Schwarz zählte einst zu den Bielefelder Fußballgrößen und stieg 1948 mit Arminia in die Oberliga West auf. Sein Filius Hans-Dieter übernahm nicht nur den Spitznamen »Schotte«, sondern wurde auch früh ebenfalls vom Bazillus Fußball infiziert. Das von den schottischen Klubs bevorzugte Flachpassspiel (deshalb der Spitzname »Schotte«) war auch die Sache von Schwartz junior Gemeinsam mit Bernd Kirchner, Bernd Naschke, Rolli Donnermann u.a. errang er 1958 die A-Junioren-Kreismeisterschaft.
»Rein körperlich war ich etwas schwach auf der Brust und konnte mich in den Zweikämpfen nicht entscheidend durchsetzen«, erinnert sich Hans-Dieter Schwartz an seinen »sportlichen Umstieg«. Sein Vater schickte ihn zum BC Vorwärts. In dem damals führenden Bielefelder Boxclub sollte er kräftemäßig »aufgepäppelt« werden.
Otto Schmidt, der Abteilungsleiter des BC Vorwärts, erkannte sofort die Fähigkeiten des ihm anvertrauten Schützlings. Die enormen Reflexe, die schnelle linke Hand und die weiteren Bewegungsabläufe beeindruckten. Schmidt stellte schon bald die entscheidende Frage: »Willst du nicht Boxer werden?«
»Schotte« Schwartz jun. wollte. Noch im gleichen Jahr wurde er Bezirks-, Westfalen- und Deutscher Juniorenmeister im Federgewicht. Nun war auch sein Vater trotz seiner Fußballbegeisterung von der Faustkampf-Karriere seines Sohnes überzeugt: »Du hast ein gutes Auge und sehr schnelle Beine. Du wirst es schaffen.«
Schon bald verfügte der Bielefelder »Newcomer« über die anerkanntermaßen »beste linke Hand Deutschlands«. Zu seinen ersten Sparringspartnern zählte auch sein Fußballkollege Bernd Naschke. Noch heute grinst Schwartz verschmitzt: »Seine etwas eingedrückte Nase habe ich ihm gemacht.«
Hans-Dieter Schwartz eilte von Erfolg zu Erfolg. 1960 wechselte er vom BC Vorwärts Bielefeld in die starke Box-Staffel von Hamborn 07. 17 Mal trat Schwartz in der Deutschen Nationalstaffel an. »Meine meisten Kämpfe habe ich im Ausland bestritten. Ob in Bulgarien oder in Kenia, überall habe ich gezeigt, wo es lang geht«, blickt »Schotte jun.« auf eine sehr tolle Karriere zurück. Und das Geheimnis seines Erfolges verrät er auch: »Ich hatte immer sehr dünne Arme. Deshalb haben mich die Gegner von vornherein unterschätzt.«
1965 schaffte Hans-Dieter Schwartz den Absprung ins Profilager. Seinen erlernten Beruf als Werkzeugmacher hatte er längst aufgegeben. Seinem Manager Fritz Buschjost aus Bad Oeynhausen hat Schwarz viel zu verdanken. »Er verzichtete oft auf seine Gage, damit ich finanziell zurecht kam«. Höhepunkt seiner Laufbahn war zweifellos der Kampf um die Deutsche Meisterschaft im Mittelgewicht. Ursprünglich sollte Schwartz gegen den Titelverteidiger Jupp Elze boxen. Doch der war an den Folgen seines Europameisterschaftskampfes gegen Carlos Duran gestorben, weil er wie von Sinnen immer wieder in die Fäuste des Italieners gelaufen war. Schwartz saß am Ring und konnte die Tragödie nicht fassen. »Ich habe nie Aufputschmittel genommen«, versichert der Bielefelder heute glaubhaft.
Statt gegen Elze boxte Schwartz 1968 gegen den Frankfurter »Caro« Brunnhölzl um den Nationalen Titel und wurde nach zehn Runden zum Punktsieger erklärt. Etwas später stand er dem bulligen Carlos Duran um den Europameistertitel gegenüber. »Das Presseaufgebot war unglaublich. Zudem wurde der Kampf im italienischen Fernsehen übertragen.« Schwartz erhielt die höchste Gage seiner Laufbahn. »Mit Werbeeinnahmen kamen etwa 30 000 Mark zusammen.« Im Kampf selbst hatte der deutsche Herausforderer keine Chance. In der 15. Runde wurde aus seiner Ecke das Handtuch geworfen. »Ich war einverstanden. Warum noch Schläge kassieren, wenn der Fight nicht mehr zu gewinnen war«, erklärt Schwartz.
Von da an ging's bergab. Moral und Kondition ließen nach. »Meine Kämpfe wurden lustloser. Ich dachte immer häufiger über den Abschied nach«, bestätigt der »Champ« heute. 1974 trat er nach einem Remis »gegen einen Blinden, der schon in der dritte Runde hätte fallen müssen«, von der großen Boxsport-Bühne ab.
Heute lebt Hans-Dieter Schwartz in Ruhe und Bescheidenheit, wird von seinem engsten Freund Jürgen Michels umsorgt. Gern trifft er sich auch noch mit Bernd Naschke oder Dieter Kottysch und plaudert über alte Zeiten. Das Interesse am Boxsport ist ebenso geblieben wie seine Vorliebe zum Fußballklub Arminia. »Schotte« Schwarz jun. schwärmt »vom letzten großen Deutschen«, Henry Maske, und übt Kritik an Axel Schulz: »Der hat doch jetzt schon in paar Kämpfe zuviel bestritten.« Und nachdenklich fügt er an: »Vielleicht hätte auch ich ein bisschen früher aufhören sollen.«

Artikel vom 15.07.2006