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Felix Sturm hing
in den Seilen

Bittere Niederlage des Weltmeisters

Hamburg (dpa). Felix Sturm hing wehrlos in den Seilen, seine rechte Wange war tennisballgroß geschwollen, und Herausforderer Javier Castillejo aus Spanien prügelte mit einer Serie von Aufwärtshaken weiter auf den aus Mund und Nase blutenden Champion ein.
Wäre nicht Ringrichter Mark Nelson (USA) dazwischengesprungen, um das brutale Szenario in der zehnten Runde des WM-Kampfes in der Hamburger Color-Line-Arena zu beenden, hätte der taumelnde Sturm wohl schwerwiegendere gesundheitliche Schäden davongetragen. So blieb es »nur« ein stark geschwollenes Hämatom am Kiefer.
Viel mehr schmerzte der erneute Titelverlust. »So ist Boxen. Das muss man akzeptieren«, stammelte der konsternierte Leverkusener. Fakt ist: Sturm ist zum zweiten Mal vom WM-Thron gestürzt. Das erste Mal vor zwei Jahren war er als WBO-Champion im Mittelgewicht in einem überlegen geführten Kampf gegen Oscar de la Hoya (USA) um den gerechten Lohn betrogen worden.
Beim zweiten Mal, nun im Duell um den WBA-Gürtel, gab es an der Niederlage nichts zu deuteln. Zwar lag der 27-Jährige bis zum Abbruch des Kampfes vor 6000 Zuschauern nach Punkten deutlich vorn - ein Punktrichter hatte ihm sechs Zähler mehr zuerkannt, die anderen beiden je vier -, doch den plötzlichen Titelverlust hatte er geradezu provoziert.
»Er hat sein Konzept über den Haufen geworfen. Er hat unsere gemeinsame Linie nicht eingehalten«, zürnte Trainer Michael Timm, der zuvor minutenlang seine weinende Tochter trösten musste. Sturm lieferte eine Erklärung: »Ich wollte zeigen, dass ich fighten kann.« Da der hochsensible Boxer bei seinem vorangegangenen Kampf in Hamburg vom Publikum ausgepfiffen worden war, weil er in der Schlussrunde als sicherer Sieger vor dem Gegner weglief und dabei jubelnd die Arme hochriss, wollte er nun an gleicher Stätte »etwas richtig stellen«. Aber »der Schuss ist nach hinten losgegangen«, bemerkte Universums Technischer Leiter Jean-Marcel Nartz treffend.
Statt leichtfüßig durch den Ring zu tänzeln und mit Attacken aus der Distanz zu punkten, stellte sich Sturm dem von Castillejo aufgezwungenem Nahkampf und ließ sich mit Körpertreffern zermürben. Bereits in der zweiten Runde hatte der Spanier den Champion zu Boden geschickt. »Felix kann boxen aus der Bewegung heraus, aus der Distanz. Aber er darf doch nicht stehen bleiben und mitpflastern«, grollte Timm. »Er ist Boxer, kein Knockouter.«

Artikel vom 17.07.2006