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Trotz Bluttat bald
auf freiem Fuß?

Messerstecher vor Haftverschonung

Bielefeld (uko). Der Haftbefehl gegen den Messerstecher aus dem Brackweder Autocontainer ist vom Landgericht am Donnerstag außer Vollzug gesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft hat auf die Entscheidung mit Entsetzen reagiert. Ankläger Christoph Mackel sagte gestern: »Ich bin schockiert.«
Die in Heiligenhaus (Kreis Mettmann) lebende Türke Ercüment C. hatte am Morgen des 30. Dezember 2004 den Brackweder Autoverkaufsplatz seines in Bielefeld lebenden Bruders aufgesucht und dort nur den 26-jährigen Türken Hakan C. angetroffen. Dieser junge Mann hatte Monate zuvor die Cousine der Ehefrau des Mannes aus Heiligenhaus gegen den Willen der Familie geheiratet. Obendrein hielt sich Hakan C. illegal mit falschen Papieren in Deutschland auf. Aus einer Fehde um die gekränkte Familienehre war zudem im Laufe der Monate eine zunehmende Verfeindung entstanden.
In dem Verkaufscontainer war es zu einer folgenschweren verbalen Auseinandersetzung zwischen den Männern gekommen, in deren Verlauf der Busfahrer seinem Widersacher ein Messer 32 Mal durch den Körper rammte. Das Opfer verstarb noch am Tatort.
Das Schwurgericht des Landgerichts hatte in seiner Verhandlung entgegen der Ansicht Staatsanwalts Mackel eine Planung der Tat nicht feststellen können. Ercüment C. wurde wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil indes wurde jüngst vom Bundesgerichtshof (BGH) sogar aufgehoben. Ein minder schwerer Fall des Totschlags sei nicht hinreichend geprüft worden, rügten die Bundesrichter. Überhaupt sei auch nicht zwingend geklärt, daß der Busfahrer die Tatwaffe mit in den Verkaufscontainer gebracht habe.
Der Bundesgerichtshof verwies den Fall erneut an das Landgericht Bielefeld zurück, wo demnächst der Prozess vor der 3. Strafkammer neu aufgerollt wird. Auf Antrag der Verteidiger Ralf Lindrath und Detlev Stoffels verhandelte eben diese Strafkammer gestern über die Haftfortdauer. Zur Freude des Angeklagten und seiner Rechtsanwälte, jedoch zum Entsetzen Christoph Mackels setzten die Richter den Haftbefehl gegen Ercüment C. außer Vollzug. In Juristenkreisen wurden gestern insbesondere Sicherheitsaspekte des Falles heftig und kontrovers diskutiert: Befürchtet wurden auch Racheakte aus den immer noch verfeindeten türkischen Familienclans in Bielefeld und Heiligenhaus.
Die 3. Strafkammer erlegte dem Mann jedoch Meldeauflagen auf und setzte eine Kaution in Höhe von 10 000 Euro fest, die von den Angehörigen des Messerstechers auch noch am Nachmittag beigebracht wurden. Der Staatsanwalt indes legte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Kammer ein, dem die Richter nach Informationen des WESTFALEN-BLATTES bis gestern abend auch nicht abhalfen. C. ist also vorläufig noch inhaftiert. Die Entscheidung über die Beschwerde wird nun voraussichtlich ein Senat des Oberlandesgerichts Hamm treffen.

Artikel vom 14.07.2006