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Kommentar
Auge um Auge in Nahost

Brandherd für die Ewigkeit?


Und wieder - zum wievielten Mal eigentlich schon seit der Gründung des Staates Israel - kommt uns das Gewirr der kritisch-besorgten Stimmen nur zu bekannt vor. Warnend und mahnend die einen. Ratlos ru- dernd oder regelrecht resignierend die anderen.
Auch jetzt wieder weiß offenbar niemand wirklich, wie man den Dauer-Brandherd Nummer 1 am Pulverfass Nahost zumindest halbwegs verlässlich unter Kontrolle bekommen könnte. Gewiss, die Urgründe für den dortigen Teufelskreis von Hass, Krieg und Terror müssen sich die Kolonialmächte ankreiden lassen.
Sie waren es, die einst weitgehend willkürlich, allein nach ihren eigensüchtigen Weltmachtinteressen, buchstäblich am Reißbrett die Nahost-Region wie ein Objekt der Begierde aufteilten und mitten hinein den Staat Israel pflanzten.
Genau das aber können die meisten Araber bis heute nicht verwinden. Zu viele wollen sich auch einfach nicht damit abfinden. Und weil alle dies im Grunde wissen, ringen amtliche Politik wie öffentliche Meinung auch im Angesicht der jüngsten (Kriegs-)Bilder aus dem Gaza-Gebiet und dem Libanon abermals nach den richtigen Worten.
Nur, was ist »richtig« in diesem total verwickelten und schier unentwirrbar erscheinenden tödlichen Bomben, Schießen und Zurückfeuern nach der düsteren Losung des »Auge um Auge«?
Politisch und vor allem militärisch überspannt Israels Führung den Bogen im aktuellen Krisenfall ganz beträchtlich. Daran gibt es kaum etwas zu deuteln. Denn so sehr der Juden-Staat sich - leider berechtigterweise - in seiner Existenz bedroht sieht, die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist nicht mehr gewahrt, wenn er mit einer solchen kriegerischen Härte sogar auch gegen Dörfer, Städte und gänzlich unschuldige Menschen im Nachbarland Libanon losschlägt.
Dabei hatte in Beirut eine demokratisch gewählte Regierung gerade erst Hoffnungen auf eine bessere Zukunft in friedlicher Nachbarschaft mit Israel genährt. Stattdessen droht nun - zum x-ten Male - eine wo- möglich höllische Eskalation herauf.
Wer weiß, was noch bevorsteht, sollten die Hauptfinanziers und Waffenlieferanten der radikal-islamischen Hamas und Hisbollah, allen voran das Mullah-Regime in Teheran und Syrien, im Wortsinne Lunte riechen und den Vernichtungskampf gegen Israel noch stärker befeuern?
Deshalb sollte der G 8-Gipfel an diesem Wochenende in Sankt Petersburg Israel eindringlich zu strikter Mäßigung aufrufen. Denn maßlose Härte um jeden Preis spielt nach aller Nahost-Erfahrung eher den (allerdings ebenfalls gnadenlosen) Terroristen in die Hände. Sie bekommen dadurch nur noch mehr Zulauf und Rückhalt.
Und die Völkerbund-Nachfolger am New Yorker East River? Können die Vereinten Nationen einen Ausweg aus der Katastrophen-Sackgasse im Nahen Osten weisen? Die Aussichten sind verschwindend gering. UNO-Truppen als Friedenssicherungspuffer lehnen Israels politische Führer, gleich welcher Partei, bislang kategorisch ab.
Ein Konfliktherd für alle Ewigkeit? Rolf Dressler

Artikel vom 15.07.2006