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Todkranker (45)
verklagt seine
Versicherung

Familienvater leidet an Veitstanz

Von Christian Althoff
Gütersloh (WB). Drama um einen Familienvater aus Gütersloh: Der 45-jährige leidet an der tödlichen Krankheit Morbus Chorea Huntington, die auch als Veitstanz bekannt ist. Doch die Gesellschaft, bei der sich der Handwerker gegen Berufsunfähigkeit versichert hatte, will nicht zahlen.
Rechtsanwalt Jürgen Peitz klagt für den Erkrankten.

Michael S. war mehr als 20 Jahre lang selbständiger Monteur für Bauelemente wie Stahltüren und Tore. Seine Werkstatt war in einem VW-Transporter untergebracht, die Buchhaltung erledigte er von zu Hause aus.
Anfang 2004 bemerkten die Ehefrau und die heute zehn und zwölf Jahre alten Kinder, dass Michael S. sich veränderte. Er war unruhig und schnitt immer wieder Grimassen. »Anfangs schob die Familie das noch auf den beruflichen Stress«, sagt Rechtsanwalt Jürgen Peitz, der den Handwerker vertritt. Doch die körperlichen und psychischen Symptome wurden mit der Zeit schwerwiegender: Michael S. stolperte immer wieder, wurde zunehmend kraftloser, vergaß Verabredungen und kümmerte sich schließlich überhaupt nicht mehr um seinen Betrieb. »Als das Kleinunternehmen zuletzt nichts mehr abwarf, kündigte die Ehefrau zum Ablauf des Jahres 2004 die Berufsunfähigkeitsversicherung, weil die Familie die Beiträge nicht mehr bezahlen konnte«, sagt Peitz.
Michael S. ging es immer schlechter. Er fiel häufig vom Stuhl, zitterte, schwankte beim Gehen, hatte Zuckungen im Gesicht, legte keinen Wert mehr auf Körperpflege und baute auch geistig ab. Auf Drängen seiner Frau ließ er sich schließlich im Frühjahr 2005 untersuchen. Dem Hausarzt fiel sofort auf, dass der Patient nicht ruhig auf der Liege blieb, sondern Arme und Beine unwillkürlich zuckten. Er überwies Michael S. an die Uniklinik Münster, wo der Gütersloher die erschütternde Wahrheit erfuhr: Er leidet unter der tödlichen und vererbbaren Gehirnkrankheit Morbus Chorea Huntington - und zwar seit mindestens August 2004.
Da die Ärzte dem Familienvater zudem bescheinigt hatten, zu wenigstens 50 Prozent berufsunfähig zu sein, beantragte er bei der Continentalen Lebensversicherung in München die vertraglich vereinbarte Rente von monatlich 2000 Euro. »Dass die Ehefrau den Vertrag gekündigt hatte, war unerheblich, denn erstens war der Versicherungsfall bereits vor der Kündigung eingetreten, und zweitens braucht man als Bezieher einer solchen Rente ohnehin keine Beiträge mehr zu zahlen«, erklärt Rechtsanwalt Peitz.
Doch die Versicherung lehnt jede Leistung ab. Sie bezweifelt nämlich, dass die tödliche Krankheit bereits vor der Kündigung des Versicherungsvertrages vorgelegen hat. Der Rechtsanwalt: »Die Familie ist durch die tückische Krankheit zum Sozialfall geworden, was mein Mandant ja gerade durch die Berufsunfähigkeitsversicherung verhindern wollte. Es ist bitter, dass ein todkranker Mann auch noch einen Prozess führen muss, um Frau und Kindern ein wenig Geld hinterlassen zu können.«
Die Klage der Familie gegen die Continentale Lebensversicherung wird im August vor dem Landgericht München verhandelt.

Artikel vom 21.07.2006