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Merkel wirbt um gemeinsames
Vorgehen im Iran-Konflikt

US-Präsident Bush gestern Abend zu dreitägigen Besuch eingetroffen

Stralsund (dpa). Angesichts der sich zuspitzenden internationalen Krisen setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf eine enge Abstimmung mit US-Präsident George W. Bush.Willkommensgruß für den Gast aus den USA. Am Marktplatz von Stralsund hängt eine Frau die amerikanische Flagge aus dem Fenster. Fotos (3): dpa
Um den Turm der Marienkirche in Stralsund haben Greenpeace-Aktivisten dies Protest-Banner gehängt.
In »Trin«, wie die Einwohner ihre knapp 1400 Seelen zählende Gemeinde nennen, wollen Angela Merkel und George W. Bush heute Abend grillen.

Bei dessen Besuch in Mecklenburg-Vorpommern werde die Kanzlerin vor allem intensiv für ein gemeinsames Vorgehen im Iran-Atomkonflikt werben, hieß es aus Regierungskreisen. Merkel und Bush treffen sich heute in Stralsund und in dem Dorf Trinwillershagen. Der von Protesten begleitete Präsidentenbesuch wird von 12 500 Polizisten gesichert.
Bush traf gestern Abend an Bord der »Air Force One« in Mecklenburg-Vorpommern ein Am Flughafen Rostock/Laage wurde er von Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) begrüßt. Es ist Bushs dritter Deutschlandbesuch als US-Präsident.
Der heute zivil genutzte Flughafen war bis zur Wende einer der größten Fliegerhorste der DDR-Luftstreitkräfte. Bis vor kurzem waren dort auch russische MIG-Kampfflugzeuge stationiert, die mit der deutschen Einheit in den Bestand der Bundeswehr übergegangen waren.
Im Ostseebad Heiligendamm westlich von Rostock werden Bush und seine Ehefrau Laura zweimal übernachten. Das älteste deutsche Seebad geht auf Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin zurück, der dort 1796 ein Badehaus errichten ließ. Die später im klassizistischen Stil errichteten Villen und Gästehäuser begründeten den Ruf als »Weiße Stadt am Meer«.
Der dreitägige Aufenthalt liefert unterdessen immer neuen Zündstoff für den Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Die CDU bezeichnete die rot-rote Landesregierung als »unwürdige Gastgeber«, weil sich Linkspartei-Minister an den Anti-Bush-Protesten beteiligten.
Der Besuch wird von den bisher massivsten Sicherheitsvorkehrungen in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns begleitet. Dennoch soll der Aufenthalt einen anderen Charakter haben als der Bush-Besuch vor gut einem Jahr in Mainz, hieß es. Damals war Bush praktisch total von der Öffentlichkeit abgeschirmt worden. In der Hansestadt Stralsund soll heute zumindest ein Kontakt mit 1000 scharf kontrollierten Bürgern auf dem Marktplatz möglich sein. Stralsund ist mit 58 500 Einwohnern viertgrößte Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Wegen der gut erhaltenen Altstadt steht Stralsund auf der UNESCO-Welterbe-Liste.
Die als Arbeitsbesuch eingestufte Bush-Visite soll heute Abend mit einem eher privat gehaltenen Grillfest in dem Dorf Trinwillershagen ausklingen. Der zwischen Rostock und Stralsund gelegene Ort galt in der DDR wegen seiner Vorreiterrolle bei der Kollektivierung der Landwirtschaft als Vorzeigedorf.
Unter den geladenen Gästen sollen auch Persönlichkeiten der Region sein, deren politische oder unternehmerische Karriere - wie die Merkels - erst nach der Wende 1989 begonnen hatte. Merkel selbst hatte betont, dass sie Bush den Osten so zeigen wolle, wie er sich 16 Jahre nach der Wiedervereinigung tatsächlich darstelle.
Zum Auftakt der Protestkundgebungen kletterten gestern fünf Umweltschützer von Greenpeace auf die Marienkirche in Stralsund und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift »No nukes, No war, No Bush« (Keine Atomwaffen, kein Krieg, kein Bush). Zur zentralen Anti-Bush-Kundgebung heute Morgen in Stralsund werden mehrere tausend Teilnehmer erwartet. Mecklenburg-Vorpommerns Vize-Ministerpräsident Wolfgang Methling (Linkspartei) soll dort reden.
Die Bundes-CDU verurteilte die Ankündigung von weiteren Linkspartei-Ministern der rot-roten Landesregierung, gegen den Bush- Besuch zu demonstrieren. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) zeige einmal mehr, »dass er nicht Herr seines eigenen Kabinetts ist«, erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Während Ringstorff den Staatsgast vom Flughafen abholt, nimmt der stellvertretende Ministerpräsident an einer Gegendemonstration teil.
Auch die Nordost-SPD distanzierte sich mittlerweile von der Linkspartei-Unterstützung für die Demonstrationen. Mecklenburg- Vorpommerns SPD-Vorsitzender, Agrarminister Till Backhaus, sagte gestern: Die »Grenze des Ertragbaren« sei »endgültig erreicht«.
In Berlin wurden aber auch Forderungen an Bush laut. Grünen- Fraktionschef Fritz Kuhn verlangte von Bush die endgültige Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo. Der Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), sieht die Beziehungen zwischen Berlin und Washington auf einem besseren Stand als in der Amtszeit von Merkel-Vorgänger Gerhard Schröder (SPD). Das gelte insbesondere auch für die persönlichen Beziehungen.

Artikel vom 13.07.2006