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Kunstdetektiv hat den
Lochner-Code geknackt

Madonna-Bild im Wallraff-Richartz-Museum zu sehen

Von Gerd Korinthenberg
Köln (dpa). Wohl auch für den weniger frommen Kunstfreund gehört die »Muttergottes in der Rosenlaube« des Malers Stefan Lochner zu den anrührendsten Madonnen-Darstellungen. Die um 1440 entstandene Malerei auf Eichengrund, stolzer Besitz des Wallraf-Richartz-Museums, zählen Experten zu den bedeutendsten Bildern des deutschen Mittelalters.

Einen bislang übersehenen »Lochner-Code« hat der Kölner Kunsthistoriker Roland Krischel jetzt nach eingehender Prüfung des berühmten Kunstwerkes geknackt. Beinahe ganz nebenbei stellte sich das bisher als übliches Tafelbild eingeschätzte Kunstwerk als der linke Teil eines Zweiflügel-Gemäldes heraus, das ehemals wie ein großes Buch aufgeklappt werden konnte.
»Bisher dachte ich, es sei das besterforschte Gemälde seiner Zeit«, wunderte sich Krischel über das bislang verborgene Wissen in dem Bild, das mit seinem glänzenden Goldgrund, den musizierenden Engeln und der thronenden, Madonna mit Kind bezaubert. Kein Zweifel für Krischel: In geheimnisvollen Zahlensymbolen und bisher übersehenen Motiven versteckte Stefan Lochner, der 1451 in Köln an der Pest starb, eine ganze Reihe theologischer Botschaften zum Ruhme Gottes.
So entdeckte der Museumsmann als »einzigartige Synthese von Wissenschaft und Theologie« im goldenen Heiligenschein Mariens einen winzigen, von Lochner aufgeprägten, kompletten Mondzyklus, der die besondere Stellung der Gottesmutter (Mond) als Widerschein des göttlichen Lichtes (Sonne) unterstreicht. Mit einem gebastelten Papp-Lineal alter Kölner Maßeinheiten fand er zudem heraus, dass zwischen Blüten und Blättern in den Größenverhältnissen der auffallend würfelförmigen Rosenlaube mehrfach die magische Neun-Zahl versteckt ist.
Maria, von Engeln umgeben, legt ihre rechte Hand auf die Rechte des Kindes: Für den Gebildeten des Mittelalter, so erklärt Krischel, ist dies die eindeutige Geste eines Hochzeitsbildes. Eben diese Geste entdeckte Kunstdetektiv Krischel verdoppelt auch in der winzigen Brosche am wallenden Gewand der Madonna wieder. Maria als Verkörperung der Kirche vermählt sich damit vor den Augen des Betrachters dem Gottessohn, erklärt der Kunsthistoriker.
Die versteckten Weisheiten führen nach Krischels Einschätzung auch auf die Spur des bisher unbekannten Auftraggebers: Da das schon damals gefeierte Bild bei späteren Malern deutliche Spuren hinterlassen habe, könne es unmöglich in einer stillen Mönchszelle gehangen haben. Und für einen reichen Patrizier als Stifter sei der theologische Code einfach zu kompliziert. So bleibe nur einer von dazumal vier Theologieprofessoren der Kölner Uni über, dessen Name wohl für immer mit dem rechten Stifter-Flügel des Doppelbildes verloren sei.
Vom 17. August an soll Stefan Lochners zählende »kölnische Mona Lisa« im Wallraf-Richartz-Museum erstmals in einer Vitrine gezeigt werden. In Texten wird die Code-Entschlüsselung erklärt.

Artikel vom 13.07.2006