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Familie will Fall
neu aufrollen

Polizist erschießt Asylbewerber

Von Christian Althoff
Lage (WB). Zehn Wochen, nachdem ein Polizist (33) bei einem Routineeinsatz in Lage (Kreis Lippe) einen albanischen Asylbewerber erschossen hatte, fordert die Familie des Opfers jetzt eine erneute Untersuchung des Falls. »Denn in der Ermittlungsakte finden sich zahlreiche Widersprüche«, sagte gestern Rechtsanwalt Dr. Detlev Binder, der die Hinterbliebenen vertritt.
Demo Elmazi wurde von einer Kugel getroffen.
Weil Nachbarn sich über laute Musik beschwert hatten, war eine Streifenwagenbesatzung am 6. Mai zu jenem Haus gefahren, in dem Demo Elmazi (41) mit Frau und sechs Kinder lebte. Die Polizisten trafen den angetrunkenen Mann auf der Terrasse an, wo er angeblich mit ausgestreckten Armen eine Pistole auf einen der Beamten gerichtet haben soll. Der Polizist hatte geschossen und den 41-jährigen tödlich getroffen. Später hatte sich herausgestellt, dass es eine Schreckschusswaffe war, mit der Demo Elmazi zuvor Freudenschüsse zum Geburtstag seines Sohnes abgegeben hatte.
Der Schütze hatte im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Deshalb stützte sich die Staatsanwaltschaft Detmold vor allem auf die Angaben des zweiten Beamten und der 15-jährigen Tochter, die am Fenster gestanden hatte. Sie hatte ausgesagt, ihr Vater habe die Polizisten erschießen wollen, dann hätten sie ihn erschossen.
Anwalt Binder: »Diese Schilderung hat die Staatsanwaltschaft ungeprüft übernommen - obwohl bereits der Vernehmungsbeamte notiert hatte, dass das Mädchen keinen altersgemäßen Eindruck gemacht habe. Die 15-Jährige ist durch Kriegserlebnisse in ihrer Heimat schwerst traumatisiert und hat intellektuelle Defizite.«
Dass die Schilderung der Tochter mit Vorsicht zu bewerten sei, ergebe sich aus mehreren objektiv falschen Angaben: »Sie hat ausgesagt, sie habe vier Polizisten gesehen. Tatsächlich waren es aber nur zwei. Außerdem hat sie angegeben, ihr Vater sei aufgefordert worden, seine Waffe herunterzunehmen. Der befragte Polizist hat jedoch ausgesagt, eine solche Aufforderung nicht gehört zu haben.« Auch hat das Mädchen angegeben, der Vater habe direkt auf einen Polizisten gezielt. »Im Widerspruch dazu hat der befragte Polizist zu Protokoll gegeben, die Waffe sei zwischen ihn und seinen Kollegen gehalten worden. Das ist eine ganz wichtige Aussage, die ein völlig neues Licht auf die Geschehnisse wirft«, erklärte Binder. Aus der Akte ergebe sich, dass die Vernehmungsbeamten den Eindruck hatten, das Mädchen fühle sich zu bestimmten Aussagen verpflichtet.
Dr. Binder: »Die Staatsanwaltschaft kann sich nicht aus einer Aussage die passenden Passagen herauspicken und Widersprüche großzügig übersehen.« Der Anwalt legte deshalb Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ein und regte an, den Fall an eine andere Staatsanwaltschaft zu übergeben.
Von der Detmolder Behörde war gestern keine Stellungnahme zu erhalten, da der zuständige Oberstaatsanwalt noch im Urlaub ist.

Artikel vom 13.07.2006