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Posse um Kanalzwang
endet in Kuriosität

Bußgeld gezahlt und trotzdem vor Gericht

Bielefeld (uko). Ein merkwürdiges Spiel hat die Stadt Bielefeld mit Hauseigentümern in Dalbke getrieben: Erst ließ die Kommune das Ehepaar über Jahre hinweg über den Kanalanschlusszwang in Unkenntnis, dann sollte die Maßnahme innerhalb eines Vierteljahres unter Androhung eines Bußgeldes vollzogen werden.

Dass es am Dienstag überhaupt zu einem Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit vor dem Amtsgericht Bielefeld kam, ist eine weitere Kuriosität des sonderbaren Falles. Die Hauseigentümer hatten schon längst das Bußgeld in Höhe von 250 Euro gezahlt. Treu und brav waren sie trotzdem der Vorladung zum Gericht gefolgt, weil das Amtsrichter Eckhard Krämer »so angeordnet« habe.
Bereits im Jahr 1989 hatte die Stadt erstmals Verfügung an die seinerzeitigen Hauseigentümer am Schlinghofweg in Dalbke gesandt. Entweder möge man sich an den Abwasserkanal anschließen lassen oder die hauseigene Klärgrube regelmäßig entsorgen. Die Stadt bezog sich auf eine amtliche Bekanntmachung, wonach jedes Haus innerhalb von nur drei Monaten an die Kanalisation angeschlossen werden müsse. Da sich die damaligen Eigentümer stur stellten, die Stadt den Fall weiter nicht verfolgte, herrschte - so folgerte Krämer gestern - »Schweigen im Walde«.
Im Jahr 1994 kaufte das Ehepaar H. Grundstück und das 80 Jahre alte Haus. In den folgenden Jahren stellte sich vor allem für die Nachbarn ein übelriechender Geruch ein: Die hauseigene Grube reichte für die anfallenden Abwässer nicht aus, »sie sickerten schön in den benachbarten Graben« (Krämer).
Auf die Beschwerden der Anlieger wurde die Stadt Bielefeld im Jahr 2004 wieder aktiv. Flugs erinnerte das zuständige Amt an die Bekanntmachung von 1989, was der Amtsrichter grantig kommentierte: »Das hat etwas von Absurdität.« Bis Ende 2005 kam indes durch einen besonnenen Sachbearbeiter Bewegung in die Sache. Zwar wurde dem Ehepaar H. einige Male ein Aufschub gewährt, kurz nach der Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 250 Euro war der Fall jedoch vom Tisch: Das Haus an der Schlinghofstraße war an die Kanalisation angeschlossen.
Dass das Ehepaar nun trotz der Zahlung des Geldes vor Gericht saß, ist wohl auch der Unkenntnis juristischer Abläufe zuzuschreiben. Frage des Amtsrichters: »Warum kommen Sie hierher, wenn sie bezahlt haben?« - Hauseigentümer: »Weil Sie uns vorgeladen haben. Aber wenn das so ist, dann wollen wir nicht weiter stören.« Eckhard Krämer nahm`s mit Humor und meinte launig: »Alles Schiete gelaufen . . .«

Artikel vom 12.07.2006