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EU nimmt das Handwerk ernst

»Silberhochzeit« von Kammern in Frankreich und Ostwestfalen-Lippe

Von Bernhard Hertlein
Nantes (WB). Die drei Handwerkskammern Loire-Atlantique (Nantes), Vendée (La Roche sur Yon) und Ostwestfalen-Lippe (Bielefeld) wollen künftig verstärkt auch politisch zusammenarbeiten.

Auf der Feier zum 25-jährigen Jubiläum nannte Hans Schmitz, Vizepräsident der Kammer in OWL, gestern Bürokratieabbau und einen verbesserten Zugang zu Finanzmitteln als Ziele einer gemeinsamen Initiative bei der EU in Brüssel.
Bisher, so erklärte Schmitz im Conseil Régional (Regionalrat) in der nordwestfranzösischen Stadt Nantes, habe sich die 1980 gegründete »Dreieckspartnerschaft« vor allem auf den Lehrlings- und Gedankenaustausch, auf Technologietransfer, Messebesuche und die Organisation kunsthandwerklicher Ausstellungen konzentriert. Dabei seien unter den Handwerkern viele persönliche und sehr oft auch freundschaftliche Beziehungen entstanden. Auf diesen Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft sei man stolz.
Inzwischen rückten die Handwerksbetriebe zunehmend in den Mittelpunkt der EU-Politik. Schmitz, der an Stelle der erkrankten Präsidentin Lena Strothmann die Jubiläumsrede hielt, begrüßte ausdrücklich, dass sich die Administration in Brüssel nicht mehr ausschließlich um die Großkonzerne kümmere. Nun müsse das Handwerk dafür sorgen, dass nicht nur über, sondern mit ihm entschieden werde. Der spürbare Abbau bürokratischer Hemmnisse sei dabei das vorrangige gemeinsame Ziel kleiner und mittelständischer Betriebe in Deutschland und Frankreich. In Diskussionen mit den Präsidenten Luc Pavenec (Vendée) und Jean-Claude Choquet (Loire-Atlantique) hätten sich die einfache Gründung und Übergabe von Betrieben als wichtigste Anliegen herausgestellt.
Ein weiteres gemeinsames Aktionsfeld ist Schmitz zufolge der geforderte verbesserte Zugang zu Finanzmitteln. Konkret gehe es um die Vergabe von Mikrokrediten an Handwerksbetriebe und die Gewährung von Bürgschaften. In den weiteren Gesprächen der 25-köpfigen OWL-Handwerkerdelegation wurden zudem die Ausbildungssituation sowie die unterschiedliche konjunkturelle Entwicklung diskutiert.
Dabei entpuppt sich zur Überraschung der deutschen Vertreter in der Partnerregion vor allem das Bauhandwerk als Lokomotive für die Konjunktur. Etwa 1000 Arbeitsplätze seien in der Region in dieser Branche nicht zu besetzen - aus Mangel an Fachkräften. Wichtigster Grund für den Bauboom ist nach Angaben von Schmitz der im Rahmen eines Modellversuchs reduzierte Mehrwertsteuersatz von nur 5,5 Prozent auf alle Renovierungsarbeiten. Leider habe die Regierung in Berlin es abgelehnt, ebenfalls an diesem EU-Pilotprojekt teilzunehmen. »Hier können wir echt noch von Frankreich lernen«, meinte der Vize-Präsident und Bielefelder Malermeister.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 12.07.2006