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Materazzi gibt Provokation zu

Franzosen verzeihen Zidane - FIFA ermittelt wegen des Kopfstoßes

Rom/Paris (dpa). Zwei Tage nach dem unrühmlichen Kopfstoß von Zinedine Zidane im WM-Finale hat der Italiener Marco Materazzi erstmals eine Provokation des französischen Superstars zugegeben.

»Er war unverschämt, da habe ich ihn beleidigt«, sagte der 32 Jahre alte Verteidiger von Inter Mailand. »Ich habe Worte benutzt, die auf einem Fußballplatz ständig zu hören sind«, sagte Materazzi und wies so alle Schuld von sich.
Der Italiener betonte, dass Zidane mit dem Streit in der Verlängerung des Endspiels in Berlin angefangen habe. Nachdem er Zidane für wenige Sekunden am Trikot gehalten habe, habe der ihm von oben herab in unverschämter Art und Weise gesagt, »wenn du mein Trikot wirklich willst, bekommst du es nachher«, berichtete Materazzi. Daraufhin habe er den Franzosen beleidigt.
Gestern hat die FIFA eine Untersuchung des Falles angekündigt. »Gegen den Spieler Zidane wird eine Disziplinaruntersuchung eröffnet. Dabei wird die FIFA die Umstände des Vorfalls genauestens klären«, hieß es.
Weltweit wurde über den Auslöser des Blackouts gerätselt. Lippenleser des brasilianischen TV-Senders Globo kamen zu dem Schluss, dass Materazzi die Schwester von Zidane zwei Mal als Prostituierte bezeichnet haben soll. In Großbritannien wurde spekuliert, dass der Italiener gesagt haben soll: »Alle wissen, dass du der Sohn einer terroristischen Hure bist.« Dies bestritt Materazzi. »Ich bin ein Ignorant, ich weiß nicht mal, was ein islamischer Terrorist ist«, sagte er. »Für mich ist die Mutter heilig.« Die Italiener hatten sich im Elfmeterschießen gegen die Franzosen durchgesetzt.
In der 110. Spielminute hatte Zidane für seinen brutalen Kopfstoß die 14. Rote Karte seiner Karriere gesehen. Frankreichs Trainer Raymond Domenech unterstellte Materazzi, gezielt auf Zidanes Platzverweis hingearbeitet zu haben. Bereits ehe er Opfer von Zidanes Attacke wurde, war Materazzi einer der Hauptdarsteller des Finals von Berlin. Erst verursachte er den umstrittenen und von Zidane in der siebten Spielminute verwandelten Elfmeter, dann glich er in der 19. Spielminute per Kopf für Italien zum 1:1 aus.
Trotz seines unrühmlichen Abgangs war Zidane der Spieler, dem die Fans beim Empfang am Montag am stärksten mit Rufen wie »Zizou à l'Euro« (»Zizou zur Euro«) zujubelten und den Kapitän der »Blauen« somit aufforderten, auch an den Qualifikationsspielen für die EM 2008 teilzunehmen. In der Qualifikation trifft Frankreich unter anderem auf Italien.
Staatspräsident Jacques Chirac drückte dem Vize-Weltmeister in Paris seine Bewunderung aus. Die ganze Nation zolle der Mannschaft Respekt, sagte das Staatsoberhaupt. Chirac tröstete Zidane mit den Worten, dass er ein »Genie des Weltfußballs«, aber auch ein Mensch mit einem großen Herzen sei. Wegen seines Engagements und seiner Überzeugung bewundere und liebe ihn Frankreich.
Die Mehrheit seiner Landsleute hat Zidane den Blackout verziehen. Laut einer Meinungsumfrage tragen 61 Prozent Zidane seinen Kopfstoß nicht nach. Nur 27 Prozent wollen Zidane sein unsportliches Verhalten nicht nachsehen. Riesige Zustimmung erfährt die Wahl Zidanes zum besten Spieler des Turniers. Dieser Entscheidung stimmten 78 Prozent zu. Trotz der Niederlage im Finale äußerten sich 61 Prozent zufrieden mit der Leistung der Nationalmannschaft. Auch in Spanien wird der zuletzt bei Real Madrid spielende Zidane hoch verehrt. Der 34-Jährige ist einer der Kandidaten für den spanischen »Sport-Nobelpreis«, den Prinz-von-Asturien-Preis.

Artikel vom 12.07.2006