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Ganz Italien im Titelrausch

Heute droht der »Kater« - Zidane nicht von Video überführt

Duisburg/Rom (dpa). In einem wahren Triumphzug sind die frisch gebackenen Fußball-Weltmeister gestern nach Italien heimgekehrt. Hunderttausende Fans warteten in Rom auf die glorreiche Mannschaft rund um Kapitän Fabio Cannavaro.

Als dieser am frühen Abend auf dem Militärflughafen Pratica di Mare in der Nähe von Rom als erster aus dem Flugzeug stieg und den Pokal in die Höhe hob, gab es kein Halten mehr.
Viele Tifosi hatten seit Stunden auf dem Flughafen ausgeharrt. Bei der Landung der Maschine brach Jubel aus, hunderte Menschen stürmten auf die Fußballhelden Gianluigi Buffon, Francesco Totti und Alessandro Del Piero zu. »Es war ein großartiges, ja ein historisches Unterfangen«, umriss Cannavaro die »Finalissima« gegen Frankreich vom Vorabend.
Die italienische Kunstfliegerstaffel Frecce Tricolori (dreifarbigen Pfeile) malte ein weißes Herz in den blauen Himmel, während der Flugzeugkapitän die grün-weiß-rote Nationalflagge aus dem Cockpitfenster schwenkte. »Alle dachten, wir würden bei dieser WM tief fliegen, aber jetzt sind wir im siebten Himmel«, sagte Nationaltrainer Marcello Lippi.
Anschließend kamen die Busse, die die Azzurri zu einem Empfang in den Amtssitz von Ministerpräsident Romano Prodi bringen sollten, nur langsam in Richtung Innenstadt voran: Immer wieder wurden sie von begeisterten Fans zum Anhalten gezwungen. Höhepunkt der Feiern sollte am späten Abend ein Bad in der Menge im antiken Circus Maximus sein. Dort hatten sich schon Stunden zuvor Zehntausende Fans versammelt.
Nach dem Titelrausch droht der »Squadra Azzurra« aber ein böses Erwachen: Die für heute erwarteten Urteile im Fußball-Skandal werden Italien aus dem Weltmeistertaumel reißen. »Ohne den Skandal wären wir nie Weltmeister geworden«, sagte Gennaro Gattuso. Der Skandal und Gianluca Pessottos Selbstmordversuch hatten die Mannschaft zusammengeschweiß, nun droht der Horror: 13 von 23 »Azzurri« könnten bald als Provinzkicker aufwachen.
Für den negativen Höhepunkt des Finales hatte Zinedine Zidane gesorgt. Mit seiner Rambo-Attacke per Kopfstoß gegen die Brust von Marco Materazzi schrieb Frankreichs Fußball-Ikone ein trauriges Schlusskapitel. Mit seinem Ausraster schockte er in der 110. Minute seine Fangemeinde. Der Sekunden-Aussetzer warf einen langen Schatten auf seine Abschieds-Vorstellung.
Vehement wehrte sich Lippi gegen Vermutungen, die Italiener hätten Zidanes Platzverweis provoziert oder die Rote Karte verlangt. »Wir waren es nicht, die den Platzverweis gefordert haben. Es war der vierte Schiedsrichter, der mit Hilfe der Zeitlupe den Fall an den Schiedsrichter weitergab. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass eine Zeitlupenwiederholung herangezogen wurde«, meinte Lippi.
Erst auf Intervention des vierten Offiziellen, des Spaniers Luis Medina Cantalejo, soll der argentinische Referee Horacio Elizondo nach Rücksprache mit seinem Landsmann an der Linie, Dario Garcia, mit Verspätung Rot gezückt haben. Eine Version, die vom Weltverband FIFA in Abrede gestellt wurde. »Es gab kein Video. Cantalejo hat den Vorfall gesehen und den Schiedsrichter informiert«, sagte ein FIFA-Sprecher. Sport-Sonderseiten

Artikel vom 11.07.2006