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An der Orgel »jubelt« Italien nur verhalten

Konzert stimmte auf WM-Finale ein


Sennestadt (gal). Was hat Orgelmusik in einer Kirche mit Fußball zu tun? Das werden sich die Besucher in der gut gefüllten Kreuzkirche auch gefragt haben, die zum »Praeludium finale« oder dem »Vorspiel zum Endspiel« - so der Titel des außergewöhnlichen Konzerts - 2 Stunden vor dem WM-Endspiel gekommen waren.
Der ehemalige Kantor der Sennestädter Kirchengemeinde, Eberhard Brünger, hatte zum 20- jährigen Jubiläum der von ihm konzipierten Tzschöckel-Orgel ein interessantes Programm zusammengestellt, das allerdings »nichts mit Fußball« zu tun habe. Die Titel der einzelnen Stücke könne man jedoch im übertragenen Sinne zu einem Fußball-Match arrangieren, so seine Anmerkungen.
Nach der »Fanfare« des Ex-Bielefelder Organisten Hans Uwe Hielscher, die im Klang an holländische Straßenorgeln erinnerte, begann das Spiel mit dem »Einzug der Gladiatoren« von Julius Fucik. Hier geriet die »kleine Dorforgel«, so Brünger, jedoch an ihre Grenzen. Der hintergründige Humor aber kam dank der überragenden Registrierkunst des Interpreten »rüber«. Dem aus Pietätsgründen entfallenen Fußballer-Choral »Nun lasst uns gehen und treten« folgten ein »Blaze-Away« (Schieß los!) von Abe Holzmann und »La Battaglia« (Die Schlacht) von Frescobaldi. Mit den Schalmeien- Registern gespielt, wurde aber eher der Wettkampf von Ziegenhirten dargestellt. Le Croc-en jambe (das Beinstellen) von Francois Couperin mit einigen harmonischen Fallen wurde ebenso souverän gemeistert wie Thema und Variationen von »Also geht's, also steht's« von Samuel Scheidt.
Die zweite Halbzeit begann mit »The Hunt's up - Die Jagd ist eröffnet« von William Byrd. Dieses originale Cembalo-Stück lebt von unterschiedlichen Klangfarben und schnellen Manual-Wechseln wie auch »Les Culbutes - Die Purzelbäume« von Couperin. In der »Lamentation« von Sigfrid Karg-Elert und »Resignation« des Enrico Bossi verbreitete das Tremolant-Register eine traurige und klagende Stimmung, die aber einer Schicksalsergebenheit wich. Vor dem geistigen Auge erschienen die Spiele der WM und das bevorstehende Finale mit »La Victoire - Der Sieg« von Jacques Duphly und »Il Guiubilo comune... - Der allgemeine Jubel« von Johann Kuhnau. Nicht ahnend , dass die echte WM-Finalbegegnung Frankreich gegen Italien lauten würde, hatte Brünger diese beiden Titel vor Wochen aufs Programm gesetzt. Die Frage, ob nun die triumphale Siegesstimmung der hellen Zungenstimmen einen Sieg der Franzosen oder der etwas verhaltener ausfallende Jubel bei Kuhnau einen Sieg der Italiener richtig voraussagte, wurde erst nach dem Konzert beantwortet.
Nach einer »Consolation« in zarter Melodik von Franz Liszt, einer »Blue promenade« im jazzigen Duktus von Alan Ridout endete das musikalische Fußballspiel mit einem pompösen Triumphmarsch von Theodore Dubois, in dem der Interpret noch einmal seine Fingerfertigkeit und Registrierkunst unter Beweis stellen konnte. Mit starkem Beifall bedankten sich das amüsierte Publikum.

Artikel vom 11.07.2006