10.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Deutschland, du
warst wunderbar!

Italien Weltmeister - Klinsmänner auf Platz 3

Anbetungswürdig finden die Italiener den goldenen Weltpokal: Während in der Heimat der größte Fußballskandal aufgearbeitet wird, schrieb auch die Mannschaft von Marcello Lippi Geschichte - sie machte die »Squadra Azzurra« zum vierten Mal zum Weltmeister.Fotos: dpa, Reuters
Unwürdiges Ende einer großen Karriere: Nach einer Tätlichkeit in der 110. Minute zeigte Schiri Horacio Elizondo Zinedine Zidane die Rote Karte.
Der Bundestrainer und die Kanzlerin: Angela Merkel fachsimpelt mit Jürgen Klinsmann, nachdem sie ihm die Bronzemedaille umgehängt hatte.
Ein letzter Dank: Michael Ballack verabschiedet Oliver Kahn.

Berlin (dpa). Ausgerechnet in der schwersten Krise seiner Fußball-Geschichte ist Italien auf den Thron zurückgekehrt.
Dort waren am Nachmittag schon die deutschen Nationalspieler - zumindest in den Augen ihrer Fans als Weltmeister der Herzen.
Dank ihrer Nervenstärke setzte sich die »Squadra Azzurra« im ersten europäischen WM-Finale seit 24 Jahren mit 5:3 im Elfmeterschießen gegen Frankreich durch und holte sich nach 1934, 1938 und 1982 zum vierten Mal das begehrte WM-Championat. Nach 90 Minuten und Verlängerung hatte es 1:1 gestanden. Die Italiener haben nun hinter Brasilien (5) die meisten WM-Titel gesammelt.
Vor 69 000 Zuschauern im Olympiastadion gelang der Mannschaft von Marcello Lippi trotz der Belastung durch den Fußball-Skandal im eigenen Land mit viel Glück die Revanche für die Endspiel-Niederlage bei der EURO 2000. Marco Materazzi (19. Minute) hatte für Italien ausgeglichen, während Zinedine Zidane sich seinen Traum vom perfekten Karriere-Ende selbst durch einen zurecht mit Rot geahndeten Kopfstoß gegen Materazzi (110. Minute) selbst zerstörte. Anfangs hatte »Zizou« noch mit einem Foulelfmeter-Tor zum 1:0 (7.) geglänzt.
Jeder WM-Held erhält für den in der Heimat euphorisch gefeierten Triumph 250 000 Euro Siegprämie. Zur Titelparty flogen die Gewinner noch gestern in ihr Duisburger WM-Quartier zurück. Mit an Bord war auch der aus 18-karätigem Massiv-Gold bestehende WM-Pokal.
Auch ohne den goldenen Weltpokal hat Deutschland seine Fußball-Helden wie Weltmeister gefeiert. Nach dem 3:1 im »kleinen Finale« gegen Portugal bereiteten mehr als 500 000 Anhänger der deutschen Elf gestern in Berlin einen Empfang, der selbst bei einem vierten Titelgewinn nach 1954, 1974 und 1990 wohl kaum zu überbieten gewesen wäre.
Kapitän Michael Ballack & Co. waren überwältigt vom Liebesbeweis der Fans. »Vielen, vielen Dank, ihr seid die Besten!«, rief Ballack den Massen zu. Auch Jürgen Klinsmann saugte die Emotionen auf. »Tausend, tausend, tausend Dank. Ihr seid unglaublich«, sagte der Bundestrainer, der seine neue, viele Millionen Menschen zählende Anhängerschar aber auch vor dem Start in den Urlaub im Ungewissen über seine Zukunft ließ. »Gebt mir ein paar Tage Zeit«, bat er.
Dem Mannschaftsschwur, bei der EM 2008 und der WM-Endrunde 2010 in Südafrika gemeinsam das Verpasste neu anzustreben, schloss sich der 41-Jährige nicht an. Der erfolgreiche Turnierabschluss schürte bei den Spielern Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft: »Jürgen wird für sich entscheiden, wie er und seine Familie künftig leben wollen. Wenn wir am Samstag verloren hätten, hätte er wohl aufgehört«, orakelte Christoph Metzelder.
Die Tor-Gala von Bastian Schweinsteiger gegen Portugal riss das Team aus dem Halbfinal-Tränental heraus. »Wir sind knapp am Finale gescheitert, aber dieser Jubel entschädigt dafür. Es ist schön, dass jetzt auch zweite und dritte Plätze etwas zählen«, sagte Ballack. Das Ehrentor für die Portugiesen durch Nuno Gomes (88.) war nicht mal für Oliver Kahn ein Schönheitsfehler. Der »Titan« verabschiedete sich nach elf Jahren und 86 Länderspielen aus der DFB-Elf. »Es war fast das emotionalste Spiel, nur noch getoppt durch das WM-Finale 2002«, sagte Kahn nach den schweren Wochen.

Artikel vom 10.07.2006