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Von Matthias Meyer zur Heyde

Glückwunsch!
Titel folgt 2010

Das Fernsehen bewies WM-Reife


Die Fernsehschaffenden sind mit der WM zufrieden, sind wir es auch? Sagen wir mal so: Die Öffentlich-Rechtlichen ließen den Spartensendern keine Chance, ins Endspiel einzuziehen.
Wenn Hertha spielt und die Sonne scheint (seltene Koinzidenz der Ereignisse), wird sie (die Sonne) von den Fans unweigerlich angemacht: Wat kiekste mir an - paar uffe Fresse? Falls Sie den Berliner Menschenschlag kennen, wissen Sie, wovon ich rede. In der ZDF-Arena mitten in der Hauptstadt sah das anders aus: Alles hopste, alles sang, alles freute sich auf allen Rängen. Und in der Person des klugen Jürgen Klopp hielt das Zweite einen weiteren Trumpf in der Hand. Bis zu 150 000 gutgelaunte Fußballfans, dazu ein kenntnisreicher Analytiker - so ließ sich sogar das 0:2 gegen Italien leichter verkraften.
Schiri Urs Meier hingegen, auch von Kaiser Franz kritisiert, blieb den Nachweis schuldig, dass das Team ihn brauchte. In seiner Eigenschaft als Mitglied der Schwarzkittelzunft konnte er bei Fehlpfiffen nie richtig auf den Putz hauen, was den ZDF-Talk gewiss belebt hätte.
Bleibt der Moderator. JBK wird geliebt, JBK ist gefürchtet. Wandeln wir also ein Zitat des TV-Intellektuellen Roger Willemsen ab: Die Fußballübertragung ist ein Trojanisches Pferd, in dessen Bauch immer Johannes B. Kerner steckt. Aus diesem Satz mag jeder nach eigenem Gusto Honig saugen.
Mit zweien sieht man besser, dachte sich das Erste und ließ erneut Gerhard »Sie sind nicht lernfähig« Delling und Günter »Kann sein, dass ich irgendwann gar nicht mehr mit Ihnen spreche« Netzer auflaufen. Gut gelaunt dribbelte sich das Duo durch die Fährnisse der deutschen Sprache, und so manches Mal riss der Anspruch auf druckreife Formulierungen dem guten Günter die Satzstruktur entzwei - aber so soll es sein, so lieben wir ihn, besonders, wenn wir (ich sagte es, glaube ich, bereits) 0:2 gegen die Itaker usw.usf.
Also: »Wir sind der Meinung: Das war spitze!« (Hans Rosenthal)
Der Niedergang der personell langsam ausblutenden Privatsender offenbarte sich auch während der WM. Bei RTL empfingen uns ein betont routinierter - oder soll ich sagen: lustloser? - Günter Jauch, ein dauerquasselnder Pierre Littbarski sowie wenig inspirierte Experten. Kaum gesendet, schon vergessen. Und im DSF? Altväterliche Lattekiaden.
Ins tiefste Tal des Unzumutbaren jedoch stieg Fritz von Thurn und Taxis hinab, der bei Premiere eine Symphonie willkürlich verketteter Silben aufführte. Die Skala seiner sprachlichen Hilflosigkeiten ist nach unten offen, der Bezahl-Schwätzer hatte kaum mehr Ballkontakte als ein Schiedsrichter. Also wozu Geld ausgeben, wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen liegt so nah?
Ein Wort noch zu den Live-Kommentatoren. Von jeher hat es Marcel Reif gefallen, ein entscheidendes Tor im gleichen Tonfall und in der gleichen Lautstärke anzusagen wie einen Einwurf in Höhe der Mittellinie. Er wurde damit stilbildend. Warum eigentlich? Bitte künftig etwas mehr Pfeffer, ihr Herren Beckmann, Réthy & Co.!
Die Flimmerkiste hat uns mit schönen Bildern erfreut. Nun mag man einwenden, dazu gehöre auch nicht viel - »Kamera läuft!«, und den Rest besorgen der Stadionbesucher sowie der Partygast auf der Fanmeile. Doch das wäre zu billig. Klar, wir Deutschen haben vier Wochen lang alles gegeben. Aber auch Schlachtgesänge wollen geschickt arrangiert sein. Die gut aufgelegte Riege der Fernsehprofis darf sich damit schmücken, dass sie das, was Millionen Kehlen jubelnd entströmte, als a-cappellarisches Hosianna inszenierte.
Danke schön. Den zugehörigen sportlichen Titel holen wir 2008 bei der EM. Spätestens aber 2010.

Artikel vom 11.07.2006