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Portugiesen machen den Abflug

Bis auf Torhüter Ricardo spielt kein WM-Star der Selecção in der Heimat

Von Klaus Lükewille
Berlin (WB). Und das war's dann. Adeus. Die Portugiesen, die sich bei der WM als eine echte Einheit präsentierten, sie schwärmten wieder auseinander. Zunächst steht der Urlaub auf dem Programm, dann wieder die Ball-Arbeit. Hier sind fast alle Asse bei ausländischen Klubs auf der Gehaltsliste.

Von der Bestbesetzung, die Mannschaft, die gegen Frankreich in das Halbfinale ging, spielt nur einer in der Heimat. Ricardo, die Nummer 1, er wird demnächst wieder für Sporting Lissabon Bälle abwehren. Englands Meister FC Chelsea sicherte sich schon seit zwei Jahren die Dienste von drei Portugiesen. Ricardo Carhalvo, Maniche und Paulo Ferreira spielen in London. Trainer Jose Murinho hat sie einst mitgebracht. Klasse aus der alten Porto-Kasse: Denn das Trio stand in dem Team des FC Porto, das er 2004 gegen Monaco zum Champions League-Triumph führte. Der wird jetzt von Mourinho 2007 erwartet. Denn mit Andrej Schewtschenko und Michael Ballack hat Klub-Besitzer Roman Abromowitsch ja noch einmal den Kader verstärkt. Der Deutsche kam zwar ablösefrei, kassiert aber genau darum einen fetten Gehaltszuschlag. Auf 12 Millionen Euro pro Saison wird der Ex-Münchner geschätzt. Der Ukrainer Schewtschenko, der vom AC Mailand kam, soll 65 Millionen Euro gekostet haben. Wahnsinn.
In diesem Spitzenbereich bewegen sich die Ablösen für die Portugiesen nicht. Aber Cristiano Ronaldo, der wird auch ganz schön teuer, wenn er zu seinem Wunschverein Real Madrid wechseln darf. 40 Millionen Euro sind im Gespräch. Ronaldo möchte Manchester United auf jeden Fall verlassen. Warum? Die Engländer mögen den Stürmer nicht mehr, nachdem er ihnen beim Viertelfinale den entscheidenden Elfmeter in den Kasten gesetzt hatte. Wayne Rooney, bisher noch Ronaldos United-Kollege, soll gedroht haben: »Wenn der hier wieder auftaucht, breche ich ihn in zwei Stücke.«
Das muss Nuno Valente nicht befürchten. Er bleibt ein ganzer Kerl, wenn er demnächst auf die Insel zurückkehrt. Sein Arbeitgeber FC Everton freut sich schon auf den Portugiesen, der zu den Stützen der Mannschaft zählt. Wie Deco, der bald das Trikot des FC Barceona wieder überstreifen wird. Weltmeister ist er nicht geworden, aber dafür immerhin Champions League-Sieger. Und dass Deco bei der WM eine Runde weiter kam als sein vorher so hochgejubelter Mittelfeld-Nachbar Ronaldinho, ist für ihn sicher ein kleiner Trost: Die Brasilianer wollten ihn damals nicht. Er konnte auch die portugiesische Staatsbürgerschaft annehmen. Deco holte sich den Pass - und passt glänzend in die Selecção.
Hier muss Deco demnächst noch mehr Verantwortung übernehmen, denn der Kapitän geht von Bord. Der große Luis Figo kickt aber weiter. Sein Vertrag bei Inter Mailand läuft bis 2007. Drei Jahre länger hat sich Fernando Meira an den VfB Stuttgart gebunden. Der einzige portugiesische WM-Teilnehmer, der in ein paar Wochen nach Deutschland zurückkommt.
Miguel verteidigt in der nächsten Saison erneut für den FC Valencia, Pauleta wird wieder in Diensten von St. Germain Paris auf Torjagd gehen. Vereine, die zu ihnen passen. Nur ein Portugiese, der traf eine ganz andere Rasenplatz-Wahl. Was hat den dunkelhäutigen Mittelfeldspieler Costinha eigentlich nach Moskau getrieben? So heiß wie es in seiner alten Heimat ist, so heiß kann die Dynamo-Elf in der russischen Metropole gar nicht laufen. Aber dafür wird der Rubel rollen. Und wenn Costinha dann auf seine Kontoauszüge blickt, wird ihm gleich warm ums Herz.

Artikel vom 11.07.2006