10.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Aus elf Metern zum vierten Titel

Trezeguets Fehlschuss macht Italien zum Weltmeister - Zidane sieht zum Karriereende Rot

Von Klaus Lükewille
Berlin (WB). David Trezeguets Fehlschuss lässt Frankreich weinen. Durch ein 5:3 im Elfmeterschießen hat sich Italien zum vierten Mal den Weltmeistertitel gesichert. Nach 90 und 120 Minuten hieß es 1:1. Tiefpunkt des Finales in Berlin: Die rote Karte wegen einer Tätlichkeit, die in der Verlängerung die große Karriere Zinedine Zidanes abrupt beendete.

Finale furioso: Keine 60 Sekunden war das Endspiel alt, da zitterten die mehr als 10 000 Franzosen im Berliner Olympiastadion bereits um ihren Stürmerstar. Thierry Henry war von Fabio Cannavaro gecheckt worden und lag benommen am Boden. Zum Glück konnte der Arsenal-Angreifer weitermachen und sah mit an, wie in der 6. Minute Teamkollege Florent Malouda in den italienischen Sechzehner eindrang und plötzlich den Boden unter den Füßen verlor. Aber warum nur? Cannavaro auf der einen Seite hatte mit dem Umfaller sowieso nichts zu tun. Und Marco Materazzi hatte im entscheidenden Moment seinen Fuß zurückgezogen. Schiedsrichter Elizondo (Argentinien) aber fiel auf Maloudas Schwalbe herein, pfiff Elfmeter. Eine Gelegenheit, die sich König Zizou I. in seinem letzten Spiel für die Equipe Tricolore nicht entgehen ließ. In der Manier des legendären Tschechoslowaken Panenka (EM-Finale 1976 gegen Deutschland) chippte Zidane den Ball unter den Querbalken. Von dort prallte die Kugel hinter die Linie. Elizondo hatte sofort völlig zu Recht auf Tor erkannt. Es war Zidanes dritter Torerfolg in einem WM-Finale. 1998 erzielte der Mittelfeldstratege zwei Kopfballtreffer beim 3:0 über Brasilien.
Diesmal aber blieb Frankreich nach einem Zizou-Finaltreffer nicht ohne Gegentor, denn nur zwölf Minuten nach dem 1:0 fiel schon der Ausgleich. Ecke Andrea Pirlo, Kopfball Marco Materazzi - Fabien Barthez hinterließ in dieser Szene nicht den allerbesten Eindruck. Das 1:1 nach 19 Minuten.
Um ein Haar wäre in einem schnellen Endspiel zweier überraschend offensiv ausgerichteter Mannschaften sogar noch ein drittes Tor vor der Halbzeit gefallen. Wieder brachte Mittelfeldstratege Pirlo einen Eckball herein, diesmal war Luca Toni der Abnehmer. Der angeblich vom FC Bayern umworbene Stürmer, dem bei diesem Turnier schon zwei Treffer gelungen waren, köpfte den Ball wuchtig an die Latte (36.).
Kurz nach Wiederbeginn setzte dann Thierry Henry endlich mal ein Zeichen. Beziehungsweise zwei. In der 46. Minute kullerte er nach einem starken Solo Italien-Keeper Buffon den Ball in die Arme. Drei Minuten darauf tanzte sich der England-Legionär wieder durch die italienische Abwehr. Seine finale Hereingabe fand aber keinen Abnehmer.
Frankreich blieb am Drücker. Und war Malouda in der ersten Hälfte noch aus freien Stücken im generischen Strafraum umgefallen, hätte Schiedsrichter Elizondo in der 53. Minute tatsächlich guten Grund gehabt, Elfmeter für Frankreich zu pfeifen. Zambrotta hatte Malouda berührt, dieses Mal aber blieb die Pfeife des Argentiniers stumm.
Nachdem Luca Toni in der 62. Minute mit einem Abseitstor für etwas Abwechslung sorgte, war es im Gegenzug wieder Henry, der Torhüter Buffon prüfte.
Weil sich die Finalgegner neutralisierten, ging's in die Verlängerung. Hier war es Franck Ribéry, der als erster das Siegtor auf dem Fuß hatte. Sein Schuss rollte vorbei, direkt danach wurde der Mann aus Marseille gegen David Trezeguet ausgewechselt. Also gegen den Mann, der vor sechs Jahren im Endspiel der EM das Golden Goal erzielte und Frankreich so zum Titel verhalf.
Dieses Mal wäre das beinahe Zinedine Zidane gelungen. Doch dessen Kopfball in der 104. Minute lenkte Buffon über die Latte. Zidane stand auch in der nächsten wichtigen Szene im Mittelpunkt: Nach einer Verbal-Auseinandersetzung mit Materazzi streckte Zizou mit einem wuchtigen Kopfstoß auf die Brust den Italiener nieder. Die Folge: Rot.
»So eine große Freude habe ich noch nie gespürt. Das ist das Größte, was ein Sportler erleben kann. Wir sind alle überglücklich«, jubelte Italiens Coach Marcello Lippi. Frankreichs Trainer Raymond Domenech war enttäuscht: »Wir haben das Spiel nicht verloren, denn ein Elfmeterschießen ist wie ein Unentschieden. Zidane wird dem Fußball fehlen, heute hat er uns in den letzten Minuten gefehlt.« Italiens Gennaro Gattuso meinte: »Es war ein unvergesslicher Abend, ich werde diese Momente nie im Leben vergessen.«

Artikel vom 10.07.2006