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Beten für die deutsche Elf: es half!

Bielefelder Schwester erinnert sich an Begegnung mit Helmut Schön

Bielefeld (WB). Zur WM 1974 hatte eine Ordensschwester aus Bielefeld Schlagzeilen gemacht. Heute erinnert sie sich an ihre Begegnung mit Bundestrainer Helmut Schön. Hildegard Ostermann
Vielleicht hatten die Fotografen damals in Malente gespürt, dass die Szene am Rande des Fußballplatzes von Bedeutung während der WM sein könnte. Jedenfalls wendeten sich für einen Augenblick die Kameraobjektive hin zu einer Diakonisse, die dem Nationaltrainer Helmut Schön neben dem Tor auf die Schulter klopfte.
»Ich war sehr aufgeregt«, erinnert sich Schwester Hildegard Ostermann (71) an das Trainingsspiel der deutschen Elf. Der Trainer sei sehr freundlich gewesen, sagt die Schwester der Westfälischen Diakonissenanstalt in Bethel. Er habe sich ihre Anschrift geben lassen und versprochen, ihr die gewünschten Spielerautogramme zuzuschicken. »Und ich habe versprochen, dass wir beten werden, dass Deutschland Weltmeister wird.« Das taten die Diakonissen aus dem benachbarten Erholungsheim »Alten-Eichen« dann auch, bekanntlich mit Erfolg. Deutschland schlug Holland im Finale mit 2:1.
Schwester Hildegard wohnte damals für vier Wochen in einem Erholungsheim in der Nähe des Trainingslagers. Dort lernte sie eine Diakonisse aus der DDR kennen. »Sie sagte mir, wie schön es doch wäre, wenn sie ihrem Neffen Autogramme von Helmut Schön und der Nationalmannschaft mitbringen könnte.« Denn schon damals drückten auch viele Menschen in der DDR dem westdeutschen Team die Daumen. Der Wunsch ging Schwester Hildegard nicht mehr aus dem Kopf, zumal das Nationalteam nur zehn Fußminuten entfernt trainierte. So nahm sie sich ein Herz und fragte den Trainer.
Als Hildegard Ostermann am Abend nach ihrer erfolgreichen Mission in das Erholungsheim zurückkehrte, bekam sie einen Schreck: Ihr »Auftritt« in Diakonissen-Kleidung war nicht unbemerkt geblieben: In den Fernsehnachrichten flimmerte ihr Gesicht über den Bildschirm. Hildegard Ostermann wusste nicht, ob sie sich freuen sollte. »Damals ging es noch strenger zu bei uns.« Als am nächsten Tag viele Zeitungen das Foto veröffentlichten, hatte sie ein mulmiges Gefühl. Doch als die Diakonisse 14 Tage später in Bethel ankam, gab es keinen mahnenden Zeigefinger. Die anderen Schwestern hatten den Türrahmen zu ihrem Zimmer mit Rosen umkränzt und ihr ein Album mit Zeitungsartikeln zusammengestellt.
Die Autogramme der Nationalelf hatte Schwester Hildegard übrigens zwei Tage nach ihrem Gespräch mit Helmut Schön bekommen.

Artikel vom 08.07.2006