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»Nimm den Jubel, den wir spenden«

700. Bielefeld-Geburtstag mit Festakt »im Hofe des Sparenberges«

Von Manfred Matheisen
Bielefeld (WB). »Nimm den Kranz aus dankerfüllten Händen, allgüt'ge Mutter deiner Kinderschar, nimm hin den Jubel, den wir froh dir spenden, die Treue bringt dir heut den Glückwunsch dar.« Mit diesem Vers des Heimatdichters Sauerland leitet die Zeitschrift »Niedersachsen« die große Sondernummer Bielefeld ein, die im Juni 1921 erscheint. Anlass ist das 700-jährige Jubiläum der Stadt, das vom 15. bis 17. Juli gefeiert wird.

Die Jubiläumsfeierlichkeiten kommen im Grunde sieben Jahre zu spät. Die Historiker waren sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts einig, dass Bielefelds Geburtsstunde im Jahr 1214 geschlagen hat, als der Ravensberger Graf Hermann IV. »Biliuelde« gründete. Der Historische Verein hatte auch frühzeitig mit den Planungen begonnen, wollte das Jubiläumsfest im Jahr 1915 feiern. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges machte die Überlegungen zunichte.
1919 aber griff der Verein den Gedanken wieder auf. Man bildete einen Festausschuss, dem »die Herren Bunnemann, Crüwell, Schrader, Stange und Stapenhorst angehörten» und schlug eine Feier im Sommer 1921 vor, die »vor allen Dingen die Jugend berücksichtigen« sollte, wie es in alten Aufzeichnungen heißt. Der damalige Bielefelder Oberbürgermeister Dr. Rudolf Stapenhorst machte sich gegenüber den Stadtverordneten stark für die Idee. Einmütig beschloss man, 25 000 Mark für die Festlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Die Planungen drangen vor bis nach Bremen, wo der Verlag Karl Schünemann die Zeitschrift »Niedersachsen» herausgab, die, so eine selbstbewusste Werbeschrift, »ganz Westfalen, die Provinzen Hannover und Ostfriesland sowie den Freistaat Oldenburg beherrscht«.
Man wurde sich rasch einig, eine große Bielefeld-Nummer herauszugeben. Bielefelder Persönlichkeiten, Lehrer und Beamte lieferten stadtgeschichtliche Beiträge, die ansässigen Unternehmen stellten mit der Aufgabe von »Annoncen« das finanzielle Fundament sicher.
Die Schrift, die in einer Auflage von 1000 Stück gedruckt wurde, lieferte ein anschauliches Bild des Gewerbefleißes und der Wirtschaftskraft, die Bielefeld damals schon auszeichnete. Heute sind nur noch wenige Exemplare erhalten.
Die Feierlichkeiten selbst begannen mit einer Versammlung des Historischen Vereins am Freitag, 15. Juli. Am darauf folgenden Samstag gab es »nachmittags drei Uhr im Hofe des Sparenberges« den eigentlichen Festakt mit Orchestervortrag, Festspruch, Gesangsvorträgen und die Festreden. Schülerinnen und Schüler zogen dann in großer Schar nach Olderdissen. »So viel Jugend hatte man wohl in Bielefeld noch nicht zusammen gesehen«, vermerkt die Chronik.
Am Sonntag, 17. Juli, fand vor dem Rathaus die »allgemeine Bürgerfeier« statt. »Eine zahlreiche Menge umstand, ohne sich durch die Hitze abschrecken zu lassen, lange vor 12 Uhr das Rathaus«, berichteten die Ravensberger Blätter. Oberbürgermeister Rudolf Stapenhorst hielt die Ansprache. »Mit weithin schallender Stimme pries er Bielefeld und die Eigenschaften ihrer Bewohner, durch die die Stadt groß geworden ist«, heißt es weiter in den Blättern. Das Fest, so das Resümee, sei »unter allgemeiner Teilnahme von Anfang bis zu Ende ohne Missklang verlaufen und wird allen Teilnehmern eine schöne Erinnerung sein: in unserer Zeit der Zerrissenheit und Zerspaltung haben solche Tage, wo der Parteigeist schweigt, einen besonderen Wert.«

Artikel vom 08.07.2006